Dienstag, 31. Juli 2007

Glaubst Du, daß es Liebe war? – Alex Capus

Harry Widmer Junior wird Fahrradmechaniker in der Werkstatt seines Vaters. Nicht weil das seine Berufung wäre, sondern weil es der Weg des geringsten Widerstandes ist. Bald übernimmt Harry auch das Geschäft seines Vaters, der sich von den Geschäftspraktiken des Sohnes distanzierend zurückzieht.

Während die Arbeit nicht wirklich das Interesse Harrys auf sich zu ziehen vermag, schaffen dies die Frauen um so mehr. Zwar ist Harry nicht der best aussehenste im Dorf, noch der eloquenteste oder charmanteste. Doch auch wenn die Chancen klein sind, so ergeben sich dennoch in regelmässiger Wiederholung Affairen mit Frauen, wenn man einfach genügend viele anspricht und kennen lernt - So zumindest die Logik Harrys. So lernt er auch die Thailändische Nancy kennen, die hinter der Theke in der Pianobar des Dorfes arbeitet. Langsam fällt Harry auf, dass er Dinge tut, die er zuvor nie getan hat. Sie fahren drei Wochen in Urlaub zusammen, er bietet ihr an bei sich einzuziehen und überhaupt scheint Nancy nicht nur eine der vielen Frauen aus der Reihe davor zu sein.

Doch als Nancy schwanger wird und Harry die Schulden über den Kopf wachsen, weiss er sich nicht anders zu helfen als sich ins Ausland abzusetzen. In Mexiko lässt er sich nieder und erst nachdem all sein Geld aufgebraucht ist, baut er sich dort eine Existenz auf. Mehr als fünf Jahre lebt er dort, doch die Gedanken an Nancy wollen ihn nicht wirklich verlassen. Als Harry erfährt, dass die Frau eines Freundes Thailänderin ist fällt er einen Entschluss - Er lernt Thai.

Rein schreibtechnisch ist wirklich nichts an dem Buch auszusetzen. Es ist leicht und flüssig zu lesen, der Aufbau ist nachvollziehbar und doch habe ich irgendwie die Seele des Buches vermisst. Erst in der letzten Zeile ist diese Seele leicht aufgeflackert. Eigentlich viel zu spät für ein solches Thema und für einen so bewanderten Autoren.

Sonntag, 29. Juli 2007

Durch einen Spiegel, in einem dunklen Wort – Jostein Gaarder

Als ich gestern im Kaffee sass und die beiden Bücher von Sartre gelesen hatte und noch etwas Zeit hatte bevor das Kaffee schliessen würde, habe ich noch mit diesem Buch von Gaarder angefangen. Bis in die Hälfte bin ich gekommen und war eigentlich enteuscht vom Buch. Zu flach erschienen mir die Erkenntnisse, die dort vermittelt wurden.

Heute Morgen, kurz nach dem Aufstehen lies ich das Wasser in die Badewanne, machte mir einen Capucchino, legte mich ins Bad und las weiter. Doch heute Morgen erschien es mir ein anderes Buch zu sein. Viel schneller tauchte ich in die Welt der kleinen Celine ein und viel besser konnte ich mit dem mitfühlen, was erzählt wurde.

Wie bei so Vielem kann man glaube ich sagen 'Jedes Buch hat seine Zeit' und ich frage mich ob hier nicht wieder das gleiche Prinzip dahinter steckt, über welches ich schon gestern geschrieben habe. Eigentlich gilt es doch zu erkennen, wo man selbst als Mensch gerade steht und sich dies bewusst zu machen und daraus seine Handlungen abzuleiten. Doch eines ist auch klar, man kann sich nicht unendlich mit sich slebst beschäftigen und dann erwarten, dass man sich besser versteht. Es ist wie das Wort, das einem auf der Zunge liegt, je mehr man daran denkt, desto tiefer verschwindet es im Dunkel unserer selbst. Es braucht die Leichtigkeit, Unbedarftheit und Euphorie im Leben, die eben solche Wörter völlig unerwartet wieder hervorzaubert.

Auf jeden Fall ist dies ein Buch, welches man wohl eher mit dem Herzen als mit dem philosophischen Verstand lesen sollte (Ganz im Gegenteil zu Sartre eben). Dann ist es aber wirklich schön geschrieben und lässt einen auch träumen.

Samstag, 28. Juli 2007

Geschlossene Gesellschaft – Jean-Paul Sartre

Bei diesem Buch handelt es sich um ein Theaterstück, welches Sartre für drei befreundete Schauspieler geschrieben hat und welches 1944 in Paris uraufgeführt wurde.

Nacheinander treffen drei Personen in einem Hotelzimmer aufeinander. Schnell stellt sich heraus, dass alle drei Personen bereits gestorben sind und das Hotelzimmer die Hölle ist, in welcher sie nun für alle Zeiten zusammen sein werden. Beschäftigt sie im ersten Teil noch stark die Frage warum es gerade sie waren, die auserwählt wurden die restliche Ewigkeit miteinander zu verbringen, so tritt im weiteren Verlaufe diese Frage immer mehr zu Gunsten der Manifestation des eigenen Seins in den Hintergrund. Alle drei entwickeln durch ihre Gespräche ein Bild voneinander, durch welches sie erst anfangen zu existieren. Wunderbar beschreibt Sartre unser Streben, uns darzustellen und zu formen, wie wir gerne auf die Gesellschaft um uns herum wirken möchten und wie wir dabei die Gefangenen unser selbst sind. Zitate hierzu sind etwa:

„INÉS: Wenn der Spiegel nun zu lügen anfinge? Oder wenn ich die Augen zumachte, wenn ich mich weigerte, dich anzusehen, was machtest Du dann mit der ganzen Schönheit?“

Oder

„ESTELLE: Gehen Sie nicht weg! Sind Sie ein Mann? So sehen sie mich doch an, wenden Sie sich nicht ab: Ist das denn so schlimm? Ich habe goldenes Haar, und immerhin hat sich jemand für mich umgebracht. Ich flehe Sie an, sie müssen ja einfach irgend etwas ansehen. Wenn nicht mich, dann die Bronzefigur, den Tisch oder die Sofas. Ich bin immerhin angenehmer anzusehen. Hör zu: ich bin aus ihrem Herzen gefallen wie ein Vöglein aus dem Nest. Heb mich auf, nimm mich in dein Herz, du wirst sehen, wie lieb ich bin.“

Oder

„INÉS: Komm! Du kannst sein, was du willst: Quellwasser, Dreckwasser, du wirst dich am Grund meiner Augen so wieder finden, wie du sein willst.“

Speziell interessant fand ich die Szene (Seite 54 ff), in der die Auseinandersetzung derart eskaliert, dass Garcin mit aller Gewalt versucht, das Zimmer zu verlassen. Erstaunlicherweise lässt sich die sonst verschlossene Türe auch öffnen, was alle drei Charaktere aus dem Gleichgewicht bringt. Alle drei sind fest davon ausgegangen, dass sie keine Chance haben, dem Zimmer zu entfliehen. Was sich daraufhin abspielt ist unglaublich gut beschrieben und legt den Schluss nahe, dass wir oft Gefühle oder Geschehnisse externen Ursachen zuschreiben (wie zum Beispiel einer verschlossenen Türe) anstatt die Gründe für diese Gefühle oder Geschehnisse in uns selbst zu suchen. Diese Externalisierung hilft uns zwar Dinge zu akzeptieren (ähnlich wie etwa im Mittelalter die Gründe für Katastrophen durch Religion und Glaube externalisiert wurden), doch hindert sie uns auch daran uns selbst zu entdecken und unser Verhalten in Bezug auf unser Umfeld zu verstehen.

Im Schlusswort wirft Sartre noch eine zweite Intention, welche er mit diesem Theaterstück verfolgte auf:

„Ich wollte einfach zeigen, wie viele Leute in einer Reihe von Gewohnheiten und Gebräuchen verkrustet sind, daß sie Urteile über sich selbst haben, unter denen sie leiden, die sie aber nicht einmal zu verändern versuchen. Und diese Leute sind wie tot. Insofern sie den Rahmen ihrer Probleme, ihrer Ambitionen und ihrer Gewohnheiten nicht durchbrechen können und daher oft Opfer der Urteile bleiben, die man über sie gefällt hat.“

So gesehen eine ganz ähnliche Aussage wie ich sie auch im vorherigen Blogeintrag zu ‚Das Spiel ist aus’ beschrieben habe. Das Buch war sehr interessant und spannend zu lesen und mir ist jetzt schon klar, welches das nächste Theaterstück sein wird, welches ich anschauen werde.

Das Spiel ist aus – Jean-Paul Sartre

Pierre ist Gründer der revolutionären 'Liga für die Freiheit' und kämpft gegen die korrupte Miliz. Eines Tages wird er auf offener Strasse durch einen Schergen der Miliz erschossen. Zur gleichen Zeit in einem anderen Stadtteil, stirbt auch Ève eines gewaltsamen Todes.

Wie an einem Faden gezogen, irren Beide nach ihrem Tode durch die Stadt und suchen ein kleines Büro am Ende der Rue Laguénésie auf. Kurz darauf lernen sie sich kennen und entdecken zusammen die neue Welt, die sich ihnen darbietet. Eine Welt der Toten, die mitten in der ihnen bekannten Welt existiert ohne jedoch von den Lebenden wahrgenommen werden zu können. Sie erkennen all die Plätze und Wege, die sie früher als Lebende besucht hatten, treffen auf bekannte aus ihrem früheren Leben, und verlieben sich in der Leichtigkeit ihres Daseins ineinander.

Durch einen himmlischen Formfehler erhalten Beide die Chance für 24 Stunden zurück in die Welt der Lebenden zu dürfen. Gelingt es ihnen in dieser Zeit sich in vollem Vertrauen und mit allen Kräften zu lieben, bekämen sie eine neue Chance ihr irdisches Leben zusammen zu geniessen.

Doch was vorher lediglich als eine der leichtesten Aufgaben für die verliebten erscheint erweist sich in der Realität des Seins als grosse Herausforderung. Mit der Rückkehr in die irdische Welt, kommen aber auch all deren Begleiterscheinungen wieder ins Blickfeld der Beiden. So lassen sich beide durch den Gang des Lebens treiben ohne bewusst ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. Die alten Gewohnheiten und Denkensweisen übernehmen stellenweise das Steuer, so dass die neue Liebe kaum eine Chance hat zu wachsen.

Spätestens an diesem Punkt habe ich mich gefragt, wie oft ich eine Chance im Leben verpasst habe, nur weil ich mich dem Treiben des Lebens hingegeben habe, ohne es selbst aktiv zu steuern. Es ist ein Thema, welches mich auch in meinem Blog immer wieder beschäftigt. Verhaltensweisen, die man einst gelernt hat, um eine Situation zu meistern, bleiben in uns verhaftet, obwohl wie sie schon lange nicht mehr benötigen würden und so werden einst lieb gewonnene und wichtige Verhaltensweisen für uns zum Feinde der Veränderung. Sie hindern uns unserer eigenen Veränderung zu folgen und stets bei uns selbst zu sein.
Was für ein Automatismus ist es, der in uns stellenweise die Regie übernimmt? Was macht ihn so mächtig, dass er uns immer wieder Dinge tun lässt, die solch eine Eigendynamik entwickeln und uns letztendlich von uns selbst entfernen? Von was wird dieser Automatismus gespeist? Ist es Anerkennung, der Wunsch nach Liebe, das Bedürfnis der Sicherheit? Ich bin mir nicht sicher.

Stellenweise hat mich das Buch auch an verschiedene Bücher von Milan Kundera erinnert und ich habe die Stunden im Kaffee mit diesem Buch total genossen. Spätestens ab der Hälfte des Buches, habe ich meine Umwelt nicht mehr wahrgenommen und war ganz erstaunt, wie voll das Kaffee war, als ich nach den letzten Zeilen das Buch aus der Hand gelegt hatte. Die typische Kritik an Sartre bezüglich seines Nihilismus kann ich in diesem Fall überhaupt nicht verstehen. Zwar endet das Buch nicht unbedingt, wie man es sich als mitfühlender Leser wünschen würde, doch viel wichtiger als der Ausgang des Buches sind doch die Gefühle, die während des Lesens in einem aufkommen sind und diese waren alles Andere als nihilistisch. Mich hat das Buch sehr beeindruckt!

Montag, 23. Juli 2007

Das Leben ist kurz - Jostein Gaarder

Nachdem ich das Buch von Ian McEwan heute Morgen gelesen hab und danach biken war, hat mich noch mal das Lesefieber gepackt und ich bin mit dem zweiten Buch, welches ich gestern beim Stadtbummel gekauft habe, in die Stadt ins Kaffee gegangen. Jostein Gaarder ist mir wohl bekannt (Das Kartengeheimnis, Das Orangenmädchen, Sofies Welt und Der Geschichtenverkäufer) und so war ich auch auf dieses Buch gespannt.

Gaarder, der Erzähler dieser Geschichte entdeckt in einem Antiquariat in Buenos Aires während eines literarischen Kongresses eine Kassette mit der Aufschrift »Codex Floriae«, welche ein alt erscheinendes Manuskript enthielt. War es eine Fälschung oder war es wirklich so unglaublich wie er erahnte? Nachdem der Verkäufer und er sich geeinigt hatten, war er überzeugt einen guten Kauf getätigt zu haben.

Aurelius Augustinus ist ein christlicher Heiliger und gilt als einer der bedeutendsten Philosophen zwischen der Antike und dem Mittelalter. Auf seinen Schriften aus dem dritten und vierten Jahrhundert nach Christus bauen viele der christlichen Grundsätze auf. Doch Aurelius war kein Heiliger von Geburt an. Im Jahre 370 kam er mit Floria Amalia zusammen, die ihm 372 einen Sohn gebar. Fünfzehn Jahre lebten sie unverheiratet zusammen. Erst 385 verliess Aurelius, teils auf starkes Drängen seiner Mutter, Floria und wendete sich in mehreren Schritten der Religion und Kirche zu.

Hier beginnt die eigentliche Geschichte. Der im Antiquariat aufgetauchte Text besteht aus einem langen Brief, den Floria an Aurelius geschrieben haben soll. Ein Brief in welchem sie ihren Schmerzen Ausdruck verleiht, denn mehr als die Abkehr von ihr und die schon teils fanatische Zuwendung zur Kirche, schmerzte Floria die Tatsache, dass Aurelius sich der Enthaltsamkeit hingab, denn auch die Lust und Sinne seien dem Menschen von Gott gegeben worden.

»Meine Rivalin war nicht nur meine Rivalin, sondern die Rivalin jeder Frau, der Todesengel der Liebe überhaupt. Du selber nennst sie Enthaltsamkeit. Im achten Buch, Aurel!«

Doch mehr noch als eine persönliche Abrechnung Florias mit Aurel, ist das Manuskript eine Anklage an die verstaubte Dogmatik der christlichen Kirche. Eine teils menschenunwürdige Dogmatik, wie immer wieder im text angedeutet wird.

»Ich begreife überhaupt nicht, warum Dir das Weinen so schwer fällt. Neuntes Buch, Aurel! Hältst Du es wirklich für zu fleischlich, Trauer zu zeigen?«

»In Deinen Büchern schreibst Du unablässig über ‚Sinneslust’ und ‚sündhafte Lüste’. Bist Du je auf den Gedanken gekommen, dass Du vielleicht derjenige bist, der Gottes Geschenken Verachtung entgegenbringt?«

Alles in Allem, sicher ein interessantes Buch, wenn mir auch immer wieder an philosophischen und geschichtlichen Hintergrundwissen gefehlt hat um das Gelesene in eine historische Perspektive zu setzen, die es benötigen würde um die volle Tragweite des Geschriebenen zu verstehen. So verkam das Buch für mich an vielen Stellen zu einer Anschuldigung einer verletzten Frau (nicht despektierlich gemeint) und verpasste so die Chance eines der Bücher zu werden, an die ich mich noch lange erinnern werde.

Sonntag, 22. Juli 2007

Was wäre gewesen wenn...

Wie in meinem vorherigen Blogeintrag geschrieben, hat mich die Geschichte mit dem Kater sehr an die folgende Kurzgeschichte erinnert, die ich im Januar 2004 geschrieben habe. Wie Felix in dieser Geschichte, findet auch Peter in der Geschichte von McEwan seinen Frieden durch einen Traum (auch wenn dies ein Tagtraum war). Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie mächtig Träume (und damit die eigenen Gedanken) sind.

Was wäre gewesen wenn…

Felix lag auf dem Boden in seinem Kinderzimmer während die Sonne durch das Fenster brannte und seinen Rücken wärmte. Draussen blies ein kalter Wind und verwehte den Schnee, der sich über Nacht auf Bäumen und Dächern angesammelt hatte. Lange Schneefahnen welche im gleissenden Sonnenlicht strahlten zogen am Fenster seines Reiches vorbei. Neben ihm stand seine Mutter am Bügelbrett und widmete sich der frisch gewaschenen Wäsche. Er liebte diese Nachmittage. Er liebte auch seine Eltern und fühlte sich geborgen bei ihnen. Seine Hausaufgaben hatte er bereits am Freitag hinter sich gebracht und konnte sich so voll und ganz der Welt von „Tim und Struppi und der Haifischsee“ zuwenden. Mit jeder Seite, die er umschlug wurde er ein Stückchen mehr zu Tim und so erkundete er zusammen mit Struppi und seinem guten Freund Kapitän Haddock das Geheimnis des Haifischsees. Die Welt unter Wasser war mystisch. Er entdeckte die versunkene Stadt im Stausee und fühlte sich wie ein Eroberer, denn kaum ein Mensch vor ihm hatte diese Welt zu Gesicht bekommen. So hörte er es auch nur ganz entfernt als sein Vater seine Mutter rief. Sie verliess das Kinderzimmer und kurz darauf hörte Felix sie weinen.

Aufgeschreckt rannte Felix ins Wohnzimmer wo er seinen Vater und seine Mutter sah. Seine Mutter hielt sich ihre Hände vor ihr Gesicht und weinte. Sein Vater hatte sie im Arm und tröstete sie. Felix stand wie versteinert vor ihnen, wusste nicht was geschehen war, wusste zugleich aber auch, dass nichts mehr so sein würde wie es einmal gewesen war. Sein Vater sprach mit ihm in einer ganz ungewohnten Art und Weise. So hatte er seinen Vater noch nie kennen gelernt und das beunruhigte ihn. Doch das was sein Vater sagte erschrak ihn noch mehr.

Er rannte in sein Zimmer und setzte sich weinend und vor lauter Zorn auf seinen kleinen roten Hocker, den er schon seit er denken konnte in seinem Kinderzimmer im Zwischenraum zwischen dem Kleiderschrank und seinem Schreibtisch stehen hatte und bestrafte die Ganze Welt für den Schmerz, die man ihm angetan hatte indem er für immer schweigen würde. So ein Gefühl hatte er noch nie. Wie konnte man ihm das antun! Warum haben seine Eltern nichts dagegen getan. Sonst halfen sie ihm doch auch immer wenn er etwas angestellt hatte. »Felix, darf ich rein kommen? «. Kein Wort würde er sagen, denn er wollte auch seine Eltern bestrafen, er war wütend auf die ganze Welt und dazu gehörten schliesslich auch seine Eltern. Leicht aus den Augenwinkeln schielend schaute er zur Tür und wartete bis sie auf ging. Jetzt wusste er, dass sein Vater hereinkommen würde. Er konnte sein Gesicht also wieder in seinen kleinen Händen verbergen. Kein Wort würde er sagen. »Felix, dem Grossvater geht es jetzt gut. Er ist friedlich eingeschlafen«. Was sollte das heissen, ‚friedlich eingeschlafen’. Er würde nie wieder mit seinem Grossvater in die Werkstatt gehen können um ihm zuzusehen, wie er die Schuhe der Kunden reparierte. Was sollte daran friedlich sein. Als sein Vater die Hand auf seine Schulter legte schlug er sie einfach weg. Auch seine Eltern gehörten zu der Welt, die er bestrafen wollte für das was ihm angetan wurde. Sein Vater lies es geschehen ohne ein ernstes Wort zu sagen. Hätte Felix das sonst getan, so hätte sein Vater streng reagiert, aber heute lies er es einfach geschehen. Und plötzlich tat Felix seine grobe Geste gegenüber seinem Vater leid. Er verdrängte dieses Gefühl aber schnell wieder, denn ihm war Unrecht zugefügt worden. Man hat ihm seinen Grossvater genommen. »Aber warum ist er gestorben? «. Es brach einfach schluchzend aus ihm heraus. Mit einem Mal war sein Vater in seiner Welt und sie bestraften den Rest der Welt zusammen. Er fiel ihm um den Hals, weinte und war gleichzeitig erleichtert, dass er einen Verbündeten hatte um die Welt zu bestrafen. »Das ist normal Felix, wenn Menschen zu alt werden sterben sie«. »Neeeein« schluchzte er, wohl wissend, dass sein Vater Recht hatte.

Mittlerweile war es dunkel geworden. Die Sonne hatte sich zurückgezogen und dem kalten Wind die Landschaft überlassen. Er sass am Fenster und starrte in die Dämmerung. Seine Gedanken gingen zurück zum letzten Besuch bei seinen Grosseltern. Er sah seinen Grossvater vor sich, wie er in seiner Werkstatt sass und die Unterseiten der Schuhe besohlte. Ab und zu kamen Kunden in die Werkstatt um ihre Schuhe abzuholen. Immer wieder musste sich Felix die gleichen Sprüche der Leute anhören. »Ist das Ihr kleiner Urenkel? Er kommt ganz nach dem Vater«. So ein Blödsinn, der nächste Kunde würde sowieso sagen, dass er ganz nach der Mutter käme. Er fand diese Leute langweilig, aber in der Werkstatt fand er immer etwas Interessantes mit dem er sich beschäftigen konnte.

Langsam traute er sich auch die Erinnerungen an den Vortag der Abreise bei ihrem letzten Besuch bei den Grosseltern zuzulassen. An diesem Tag hatte er die Werkzeuge seines Grossvaters wieder einmal versteckt. Als dieser es merkte rannte er ihm nach, doch Felix war wie immer schneller und im Wegrennen fühlte er sich wie Michel aus Lönneberga, der den Erwachsenen wieder einmal einen Streich gespielt hatte. »Warum machst Du mir das Leben nur immer so schwer« rief ihm sein Grossvater hinterher. Jetzt war der Gedanke, den er die ganze Zeit so gefürchtet hatte da. Was wäre gewesen, wenn er seinen Grossvater nicht immer so geärgert hätte. Würde er dann noch leben? Er versuchte sich abzulenken. In der Dämmerung draussen folgte er mit seinen Augen den Umrissen der Bäume. Er widmete sich jedem Detail der Strasse vor dem Haus nur um seine Gedanken in Schach zu halten als er ein erlösendes »Felix, Abendessen!« hörte.

Als sie zu dritt zusammen am Tisch sassen überkam Felix wieder ein Gefühl von Wut. Er durfte auch wütend sein für das was man ihm angetan hatte. Pampig warf er das Käsebrot, das er in der Hand hatte auf den Teller. Ungeschickter Weise rutschte es jedoch über den Rand und fiel kopfüber auf den Teppichboden. »Felix, jetzt reicht es aber. Ich verstehe ja, dass Du traurig bist, aber das geht zu weit. Heb das Brot auf und benimm Dich jetzt«. Felix war etwas erstaunt, denn vorher wurde sein Wutausbruch noch geduldet. Sollte jetzt etwa wieder langsam der Alltag einziehen? Die Worte seines Vaters waren unmissverständlich und insgeheim war er auch etwas erleichtert den Widerstand gegen die Welt aufgeben zu können.

Die nächsten zwei Tage waren schwer für Felix. Jede Nacht hatte er Alpträume. Aber er verbrachte viel Zeit mit seinen Eltern und musste tagsüber fast nie alleine sein. Nur abends vor dem Einschlafen suchten ihn wieder die Befürchtungen heim, dass seine Streiche doch etwas mit dem Tot seines Grossvaters zu tun hatten. Mittlerweile war es Montagabend. Seine Eltern hatten ihm eine Entschuldigung geschrieben, so dass er nicht in die Schule musste. Er sass wieder im Kinderzimmer an seinen Legosteinen und baute eine Schumacherwerkstatt ähnlich der seines Grossvaters. Wie immer, kurz vor der Tagesschau um 20:00, kam seine Mutter ins Zimmer und sagte dass es Zeit wäre ins Bett zu gehen. Ohne die üblichen fünf bis zehn Minuten herauszuschinden ging Felix ins Badezimmer, putzte sich die Zähne, zog seinen Schlafanzug an und ging ins Bett.

Die Werkstatt war in einem Anbau an dem Haus der Grosseltern untergebracht. An der Wand gegenüber dem Eingang hingen alle Werkzeuge, die sein Grossvater für seinen Beruf benötigte. Felix hatte schon von jeher eine Schwäche dafür aus dem Holz, den Nägeln, Klammern, den alten Schuhsolen und eben allem was er in der Werkstatt finden konnte, Kunstgestalten zu bauen. Er sass auf dem Boden und baute gerade ein Monster dessen Mund, weit aufgerissen, fast wie der umgedrehte Absatz einen Schuhes aussah. Er hörte das Klingeln der Eingangstür und sah eine alte Frau, die in die Werkstatt kam um offensichtlich ihre Schuhe abzuholen. Nun begann das übliche Spiel. »Ist das Ihr kleiner Urenkel? Er kommt ganz nach dem Vater«. Doch diesmal schien sich der sonst immer gleiche Ablauf geändert zu haben. »Meinen Sie nicht, dass er eher etwas von mir in sich hat?«. »Wieso meinen Sie?«. »Na er ist ein Lausbub wie ich es früher war. Ständig versteckt er mir meine Werkzeuge und ich renne ihm dann nach, wie das früher mein Vater mit mir Tat. Aber das ist schon gut so, denn diese Bewegung hält mich Jung«. Die Blicke von Felix und seinem Grossvater trafen sich und sie spürten beide eine Wärme, die sie verband.

Nach dieser Nacht träumte Felix nicht mehr schlecht.


~Baghira, Januar 2004

Der Tagträumer – Ian McEwan

Wie so manches Wochenende, habe ich heute den Tag wieder in der Badewanne begonnen und habe ein Buch gelesen, welches ich gestern beim Stadtbummel gekauft habe. Der Tagträumer handelt von einem zehnjährigen Jungen, der sich parallel zur wirklichen Welt seine eigene Welt erschafft. Eine Welt in der vieles normal ist, was in der Erwachsenenwelt als unmöglich gilt.

McEwan beschreibt wunderschön, wie sich Kinder von Neuem überraschen lassen, wie vorher Unbekanntes zu einer Initialzündung für die eigene Phantasie wird, die nur darauf wartet auszubrechen. Da kann eine Dose mit der Beschriftung 'Entfernungscreme' schon mal zu einem Zaubermittel werden, mit dem man seine Mutter (in ihrer vermeintlichen Annahme es sei Sonnencreme) einstreicht, um sie zu entfernen und unsichtbar zu machen.

Beim Lesen dieses Buches wurde ich glaube ich mindestens jede vierte Seite an längst vergessene Momente aus meiner Kindheit erinnert. Dinge sind plötzlich aufgetaucht, an die ich schon Jahrzehnte nicht mehr gedacht hatte. Dinge, die mir nun trotz der langen Zeit, im Bewusstsein präsent waren als ob ich sie gerade erlebt hätte. Wie bei einer Proustschen Erinnerung war ich zeitweise in meine Kindheit zurückversetzt.

Während dem Kapitel 'Der Kater' fühlte ich mich am stärksten in die Kindheit zurückversetzt. Es hat mich stark an eine Geschichte erinnert, die ich im Januar 2004 geschrieben hatte. In dieser Geschichte geht es zwar nicht um eine Katze, doch aber über ein anderes geliebtes Wesen, den Grossvater des kleinen Felix. Die Liebe der Kinder ist halt nicht an gesellschaftliche Normen und Massstäbe gebunden und so kann man bei Kindern durchaus die Liebe zu einem Kater mit der für den Grossvater vergleichen.

Das Buch ist übrigens vom Erzählstil und der Charakteristik total unterschiedlich zu dem anderen Buch (Der Trost von Fremden), welches ich bisher von Ian McEwan gelesen habe. Ich bin gespannt auf seine weiteren Bücher. Bisher gefällt mir das, was er schreibt wirklich sehr gut.

Samstag, 21. Juli 2007

Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande – Gernot Gricksch

Piet Lehmann ist ein Teil der Kirschkernspuckerbande, zu der auch Dilbert, Sven, Petra, Bernhard und Susann gehören, die alle 1960 in Hamburg geboren wurden; Und dort ist es auch, wo das Buch beginnt. Piet, der Ich-Erzähler des Buches führt uns durch die ersten Jahre der Kindheit, in welcher die sechs Freunde nach und nach aufeinander treffen. Er beschreibt wunderbar, wie sie zu dicken Freunden werden. Immer näher lernen wir die sechs kennen, erkennen die total verschiedenen Charaktere und werden so auch irgendwie ein Teil der Kirschkernspuckerbande, denn so wie die ersten Jahre beschrieben wurden, konnte ich mich wunderbar in die Welt der Sechs hineinversetzten.

Wir sind auch dabei wie sie älter werden und jeder von Ihnen auf die eigenen Herausforderungen des Lebens trifft. Doch trotz all der persönlichen Herausforderungen bleiben die Freundschaften (fast-) immer bestehen und sie treffen immer wieder, in der ein oder anderen Konstellation, aufeinander.

So führt uns Piet durch die ersten vierzig Jahre ihres Lebens. Bis zum 13.7.2000, dem Geburtstag von Piet und gleichzeitig auch dem Tag der Beerdigung von Bernhard.

Mir hat das Buch unglaublich gut gefallen. Ich habe in den letzten Wochen selten ein Buch so verschlungen wie dieses. Zwar haben mir die meisten Bücher, die ich in letzter Zeit gelesen habe auch sehr gut gefallen, aber dieses war irgendwie besonders. Man bewegt sich wie in einer Zeitmaschine durch die ersten 40 Jahre der Freunde, erlebt alles so hautnah mit, erkennt Parallelen zum eigenen Leben und sieht sich eigentlich schon nach kurzer Zeit als Teil der Kirschkernspuckerbande. Es war wieder einmal ein Buch, bei welchem ich an vielen Stellen herzhaft lachen musste und an anderen auch geweint habe. Zudem finde ich es sehr flüssig und interessant geschrieben. So flüssig und interessant, dass ich zwischen dem Zeitpunkt an dem ich das Kaffee betrat und anfing zu lesen, bis zu dem Zeitpunkt als ich völlig versunken die letzte Seite umblätterte kaum etwas anderes tat als im Zeitraffer den sechs Freunden durch die Zeit zu folgen. Ein Super Buch!

Donnerstag, 19. Juli 2007

Der Vogel ist ein Rabe – Benjamin Lebert

Paul, der Erzähler der Geschichte, fährt im Nachtzug nach Berlin. Dort trifft er auf Henry, mit dem er sich ein Schlafwagenabteil teilt. Schnell kommen Beide ins Gespräch und Henry steigert sich zunehmend in Erzähllaune. Paul erfährt viele Details über Henrys Leben. Details, die ihn immer wieder wage an sein eigenes Leben erinnern. Doch immer wenn Paul anfängt in seine eigene Vergangenheit abzuschweifen und diese nur ansatzweise dem Leser preis gibt, hat Henry auch schon wieder das Gespräch im Griff.

Henrys Erzählungen kreisen um die bulimische Christine, die er abgöttisch liebt, sowie den übergewichtigen Jens, den Christine in der Klinik kennen gelernt hat. Alle drei Schicksale verfliessen im Laufe der Geschichte ineinander und es wird immer offensichtlicher, dass sie sich nicht ohne eine grössere Katastrophe wieder entflechten lassen. Gegen Ende des Buches spitzen sich die Geschehnisse zu und plötzlich, kurz vor Schluss, wird aus dem Hauptstrang der Handlung, von der Henry berichtet, ein unbedeutender Nebenarm. Es sind lediglich ein paar leise Gedanken von Paul, 30 Minuten vor der Ankunft in Berlin, die den Leser fesseln und alles Andere in den Schatten stellen.

Mir hat das Buch gut gefallen, auch wenn es nicht wirklich tiefgründig war. Dennoch war es unterhaltsam und man hat es gut an einem Abend ausgelesen. So sass ich also am See auf den warmen, von der Sonne des Abends gewärmten Steinen, und habe das schöne Wetter genossen ;-).

Montag, 16. Juli 2007

Denkanstöße für Glückssucher - Julika Jänicke

Wie sieht sie aus, die Anatomie des Glücks? Was ist Glück überhaupt? Hängt das Glücklichsein lediglich vom eigenen Standpunkt ab oder gibt es universelle Glücksfaktoren? Ist Glück ein geistig/philosophisches Konzept oder gibt es auch biologische Ursachen? Auf all diese und noch viel mehr Fragen versucht dieses Buch, wenn nicht eine Antwort, dann doch eine Sammlung von Sichtweisen zu geben, die die eigene Kreativität anregen sich mit dem Thema zu beschäftigen. Eine Beschäftigung, die ich in diesem Falle einer mir sehr nahestehenden Person verdanke, die mir dieses Buch geschenkt hat.

Das Buch besteht aus einer Sammlung einzelner Texte von insgesamt 21 Autoren zum Thema Glück. All diese Texte sind in die Kapitel 'Was ist Glück?', 'Die Regeln des Glücks', 'Die Biologie des Glücks', 'Das Glück der Sinne', 'Das spirituelle Glück', 'Glück miteinander' und 'Glück im Unglück' aufgeteilt. Bei der ersten Betrachtung dieser Kapitel könnte man annehmen, dass es sich um einen weiteren Ratgeber zum Glücklichsein handelt. In der Tat empfand ich dieses Buch jedoch eher als eine Sammlung verschiedener Sichtweisen auf das Phänomen Glück, welche mich sehr zum Nachdenken angeregt hat. So habe ich mich also das vergangene Wochenende tief mit dem Thema Glück beschäftigt (mit ‚Thema Glück’ meine ich übrigens nicht nur ‚glücklich sein’) und habe dabei neben alten Gedankengängen auch wirklich neue Zusammenhänge entdeckt.

Normalerweise schreibe ich meine Gedanken in Stichworten immer an die Ränder der Seiten und mache ein Eselsohr, so dass ich sie später auch wieder finde. Das hat bei diesem Buch dazu geführt, dass es vor Eselsohren nur so wimmelt ;-). Von daher wäre es Rahmensprengend, wenn ich versuchen würde meine Gedanken wiederzugeben. Ich kann das Buch aber auf jeden Fall empfehlen, wenn man sich für das Phänomen Glück interessiert.

Sonntag, 15. Juli 2007

Wie ich eines schönen Morgens im April das 100%ige Mädchen sah – Haruki Murakami

Nach 'Gefährliche Geliebte' ist dies mein zweites Buch, welches ich von Haruki Murakami gelesen habe. Dieses Buch ist eine Sammlung von 9 Kurzgeschichten und die Titelgeschichte hat mich auch sehr an 'Gefährliche Geliebte' erinnert. Die verschiedenen Geschichten sind jedoch sehr unterschiedlich in Aufbau und Inhalt. Während die ersten vier Geschichten doch noch stark am wirklichen Leben angelehnt sind, driftet Murakami mit den Geschichten 'TV-People', 'Das grüne Monster' und 'Der tanzende Zwerg' sehr in den Bereich der Fantasie-Erzählungen ab. Dabei haben mir 'TV-People' und 'Das grüne Monster' überhaupt nicht gefallen. 'Der tanzende Zwerg' hingegen hat mich an eine moderne Fantasie-Version von Faust erinnert.

Die beiden lesenswertesten Geschichten in diesem Buch waren für mich 'Das Schweigen' und 'Wie ich eines schönen Morgens im April das 100%ige Mädchen sah'. Beides Geschichten, die in der realen Welt spielen und doch ganz unterschiedliche Themen haben. In 'Das Schweigen' geht es um einen ruhigen, angenehmen und sehr zurückhaltenden Arbeitskollegen, der angeregt durch eine Frage des Erzählers einen grossen Teil seiner Lebensgeschichte erzählt. Dabei zeichnet er ein gutes aber auch beunruhigendes Bild unserer Gesellschaft.

'Wie ich eines schönen Morgens im April das 100%ige Mädchen sah' hingegen, ist fast eine Geschichte in der Geschichte auf lediglich 5 Seiten. Oberflächlich geht es um die Sehnsucht nach dem perfekten Mädchen. Ich bin jedoch überzeugt, dass dies nur ein Beispiel davon ist, in welchem unsere Sehnsucht Dinge erträumt, die unsere Fantasie sodann wie ein Malbuch ausmalt und somit der Sehnsucht eine Gestalt gibt. Eine Gestalt, die wir nun in der wirklichen Welt suchen. Murakami trifft nun auf genau solch eine, zur Gestalt gewordenen Sehnsucht. Indem er das perfekte Mädchen jedoch vorbeiziehen lässt, bewahrt er sein Bild, wie er es in seinen Gefühlen hat, vor dessen Zerstörung. Denn die Realität hat nicht den Anspruch unseren Erwartungen und Bildern gerecht zu werden.

Wenn ich diesen Gedanken noch weiter denke, und damit den Rahmen des Buches vollkommen verlasse, dann könnte man weiter ableiten, dass die Liebe, die wir suchen zum Scheitern verurteilt ist, denn je mehr wir das Malbuch der Sehnsucht mit unseren Vorstellungen ausgemalt haben, desto mehr werden wir der Enttäuschung erliegen. So gesehen hat die Liebe, die uns unerwartet ereilt, die grösste Chance eine Erfüllte zu werden. Denn in diesem Fall malen beide zusammen und in der Realität ihre Sehnsüchte aus.

Samstag, 14. Juli 2007

Ein Tag im Zoo

Heute bin ich mal früher als sonst am Wochenende aufgestanden und hab das Wochenende nicht wie die letzten Wochen mit einem Buch im Bad und Kokos-Schaum begrüsst. Stattdessen war ich am Zoo Zürich und habe mir eine Jahreskarte gekauft. So habe ich also den ganzen Vormittag und bis in den Nachmittag hinein im Zoo verbracht.

Ziellos durch den Zoo zu spazieren und die Tiere zu beobachten hat mir total Spass gemacht und ausserdem hat es mich sehr an meine Kindheit erinnert. Abgesehen von einem kurzen Zoobesuch in der 'Langen Nacht der Museen' in 2004 (wo ich übrigens mehr Augen für meine Begleiterin hatte als für die Tiere dort) könnte ich nicht genau sagen, wann ich das letzte Mal in einem Zoo war. Aber es muss über 20 Jahre her sein.

Ich habe auch gemerkt, dass ich Tiere sehr vermisse. Als Kind bin ich mit Katzen aufgewachsen und eigentlich wünsche ich mir schon sehr lang wieder eine Katze. Doch mit der mir zur Verfügung stehenden Zeit sowie der Lage meiner Wohnung ist das kaum möglich, denn ich möchte keine Katze, die immer nur in der Wohnung lebt. Wie früher, würde ich am liebsten eine Katze aufnehmen, die wild aufgewachsen ist, ihren ganz eigenen Kopf hat und die jederzeit wieder gehen kann, wenn es ihr danach ist. Eine Katze, die wenn sie da ist, da sein will. Vielleicht ziehe ich wirklich noch mal deswegen um.
Aber auf jeden Fall werde ich von nun an öfters durch den Zoo wandern und es mir dort gut gehen lassen.

Sonntag, 8. Juli 2007

Schlafes Bruder – Robert Schneider

Wie damals auch der Film, hat mich dieses Buch sehr bewegt. Es dauert einige Seiten, bis man sich in die Sprache des Buches eingelesen hat, dann gewinnt sie jedoch unglaublich an Plastizität, so dass das Leid und die Tragik, welche Johannes Elias Alder in seinem Leben begegnen, schon fast erdrückend wirken.

Der musikalisch hochbegabte Johannes Elias Alder wächst in einem abgelegenen Bergdorf im Voralbergischen zwischen Neid, Missgunst und der realen Härte des Lebens, als Sonderling auf. Seine Feinfühligkeit und Sensibilität, welche sich im Roman nicht nur auf musikalische Weise äussern, hindern ihn daran sich in die dort bestehende Gesellschaft zu integrieren. Man könnte es vielleicht auch zutreffender formulieren: Seine Feinfühligkeit und Sensibilität werden von den Menschen des Dorfes, wie auch seinen eigenen Eltern aus Angst vor der allgemeinen Meinung, nicht verstanden, ja sogar als bedrohlich empfunden und so wird Elias aus der Gemeinschaft des dörflichen Konsenses verstossen.

Stellenweise scheint sein Leben durch die Liebe zu Elsbeth wieder an Sinn und Hoffnung zu gewinnen. Es ist jedoch dieselbe Liebe, die ihn letztendlich zugrunde richtet, da sie nie eine Chance fand sich zu manifestieren.

»Darum habe ihm Gott Elsbeth verweigert, denn die Zuneigung sei nur lau und halb gewesen. Eine Aufhäufung von Lügen und Halbherzigkeiten, sei sein sogenanntes Lieben gewesen.«

Vom Glauben besessen, Elsbeth nicht genug geliebt zu haben, beschliesst Elias schlussendlich nicht mehr zu schlafen, denn während er schlafe, könne er nicht mehr lieben...

Schlafes Bruder ist ein sehr eigenes Buch und ich kann mir gut vorstellen, dass man es auch absolut deprimierend oder auch aufgrund der Sprache selbst langweilig finden kann. Bei mir war jedoch das Gegenteil der Fall. Aus all den Sätzen, die ich mir angestrichen habe, ist mir folgender am meisten in Erinnerung geblieben (vielleicht weil dieser mich sehr stark an Stendhal erinnert):

»Welch prachtvolle Menschen - kommt uns der Gedanke wieder - muß die Welt verloren haben, nur weil es ihnen nicht gegönnt war, ihr Leben im Gleichmaß von Glück und Unglück zu leben.«

Samstag, 7. Juli 2007

Tim und Struppi, Der Triumph von Apollo XII - Hergé

Es ist Mittwoch Nachmittag, der 14. Januar 1980. Ich bin aus der Schule zurück und habe meine Eltern (mit viel Energie) davon überzeugen können, dass ich nicht viele Hausaufgaben auf habe und die ohne Weiteres später machen könne. So liege ich nun mit dem Bauch auf dem Boden meines Kinderzimmers, den Kopf in beide Arme gestützt und lese Tim & Struppi. Draussen ist es eisig kalt und eigentlich wollten Franz und ich heute noch Schlittenfahren. Nun aber ist all das vergessen, denn ich bin mit Tim, Struppi, Kapitän Haddock, Professor Bienlein und anderen Abenteurern auf der Reise zum Mond. Die Welt um mich herum ist längst vergessen. Nur der gelegentliche Griff zur Kellogs Smacks Tüte holt mich für einen kurzen Moment wieder zurück in die Gegenwart.

So in etwa habe ich mich heute Nachmittag gefühlt, als ich in der Badewanne lag und die Werksausgabe 12 von Tim & Struppi gelesen habe. Vor einiger Zeit habe ich mir alle 19 Werkausgaben der Tim & Struppi Comics bestellt, einfach weil sie für mich ein grosses Stück Kindheit bedeuten. Ganz spezielle Bedeutung haben aber ein paar wenige dieser Bände. 'Reiseziel Mond' und 'Schritte auf dem Mond' sind genau solche speziellen Bände für mich (Diese Bände sind in der obigen Werkausgabe zusammengefasst). Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich als Kind aus allen möglichen Büchern und Zeitschriften alle Details von Raketen und Raumfahrzeugen gesammelt, abgemalt, aufgeschrieben und auswendig gelernt habe. In meinem Zimmer hing auch ein grosses selbst gemaltes Bild der L3S, dem Vorläufer der Ariane 1, welche am 24.12.1979, also 21 Tage vor meinem fiktiven Blogeintrag von oben, erstmals gestartet war.

Eigentlich hatte ich ja vor 'Schlafes Bruder', welches ich gestern angefangen habe heute in der Badewanne fertig zu lesen. Aber irgendwie ist mir eben dieses Tim & Struppi Comic in die Hände gefallen und hat eine grössere Faszination auf mich ausgeübt. Nun werde ich 'Schlafes Bruder' wohl heute Abend im Kaffee oder am See fertig lesen.

Montag, 2. Juli 2007

Unterm Rad – Hermann Hesse

Hans Giebenrath ist der beste Schüler seiner Klasse, ja sogar der beste Schüler, den das Dorf bisher überhaupt gekannt hatte. Schon früh wird sich Hans dieser Tatsache bewusst und nimmt die Rolle des intellektuell überlegenen Kindes dankbar an. Als der Junge unter fast zweihundert ausgewählten Schülern aus dem ganzen Land das Landexamen als zweiter besteht, erwirbt er damit auch das Stipendium für die angesehene Klosterschule Maulbronn.


Dort wird er seinem Ruf ebenfalls gerecht und ist ständig bemüht als Primus abzuschliessen. Dies gelingt ihm auch bis er sich mit Hermann Heilner, einem Schüler seiner Klasse, anfreundet. Hermann gilt zwar als heimliches Genie unter den Mitschülern, doch interessiert sich dieser nicht für das verstaubte Wissen, welches hinter den Klostermauern vermittelt werden soll. Er interessiert sich vielmehr für die Lyrik und Poesie. Hermann widmet seine ganze Zeit der melancholischen Lyrik und wendet sich mit all seiner Kraft gegen die verknöcherten Regeln und Gepflogenheiten der Klosterschule. Durch seine Freundschaft zu Hermann gerät auch Hans schnell ins Abseits und da sein grosses Ziel Primus zu werden damit in unerreichbare Entfernung gerückt ist verliert er vollends den Halt und gibt sich auf.

Nach einer Zeit der Selbstfindung des jungen Hans glaubt man auch für kurze Zeit, dass er sich durch eine Lehre als Schlosser und eine erste (übrigens wunderschön beschriebene) Verliebtheit wieder eine Basis für sein neues Leben geschaffen hat. Doch die Basis hält den Anforderungen des Lebens nicht stand.

Obwohl ich dieses Buch nicht so gut wie die anderen Bücher von Hesse fand, die ich bisher von ihm gelesen habe ('Siddhartha', 'Demian' und 'Nur wer liebt, ist lebendig'), hat es mir doch gut gefallen. Hesse beschreibt eindrücklich, wie der Ehrgeiz eines ganzen Dorfes die Bahn eines Kindes derart vorspuren kann, dass dieses selbst keine Chance bekommt seine eigenen Wege zu finden. Eigentlich ist das Buch ein grosser Appell an die Menschen selbst den Weg zu suchen, der mit ihrer Seele im Einklang ist (Das ist übrigens auch das grosse Thema in Demian) oder, wie in diesem Fall, seine Kinder genau darin zu unterstützen, sie zu ermutigen und ihnen beizustehen.