Montag, 31. Dezember 2007

Das neue Jahr...

Gerade habe ich meinen letzten Blogeintrag aus 2006 gelesen. Ich habe mir ebenso viele Gefühle und Emotionen für 2007 gewünscht, wie ich sie auch in 2006 hatte. So gesehen war dieses Jahr ein voller Erfolg *Grins*. Aber auch abgesehen davon war es ein schönes Jahr, in dem ich sehr viel erlebt habe und auch immer mal wieder das Gefühl hatte mir selber ein Stück näher gekommen zu sein.

Ich habe mich beruflich (leicht) verändert was einerseits einiges mehr an Belastung mit sich gebracht hat, andererseits aber auch Motivation und Energie. Viel mehr als das Berufliche freue ich mich aber über das Private, denn ich habe in diesem Jahr einige sehr spannende Menschen kennen gelernt. Daraus haben sich teilweise sogar gute Freundschaften entwickelt. Das schätze ich ungemein und eigentlich habe ich nicht wirklich vor in meinem Leben für 2008 etwas aktiv zu ändern. Allerdings bin ich jetzt schon sehr gespannt, was das Leben für mich ändert .

My Sister’s Keeper – Jodi Picoult

I have just finished the book that I have spent my time with for the last two days. If I'm not totally mistaken, it's the first English novel I have read after my school days in Singapore - Actually surprising. At first it was a bit strange to read a novel in English since that language became somewhat a synonym for business terms 'cos that's where I mainly use it nowadays.

It all started a few days ago at a private party where we started talking and philosophising about books that we read. One suggestion was 'My sister's Keeper'. When I first heard about the content of the book, I thought along the lines of systemic family therapy because I remembered sessions with similar topics in a seminar that I took during my university years in England. So my interest was somewhat of a more academic flavour - but that changed pretty quickly.

Anna is 13 and just hired a lawyer to file a petition for medical emancipation against her parents. Her sister Kate suffers from a severe form of leukaemia and in fact, Anna seems to have been conceived as a donor for bone marrow to allow Kate to survive. The older Anna gets, the more invasive the invasions become and at this point in time she seems to rebel against the wish of her parents, taking her fate into her own hands. Or is it the lack of attention she receives from her parents? Or is it something completely different that she is up to?

The further one progresses in the novel, the more one realises that this novel is not about the moral of genetic engineering or the ethical impact of organ transplants. These would be topics addressing the whole society on an abstract level. This novel is in my view on a pure empathic and personal level. It is about finding out who we are, about finding ourselves and discovering our abysmal as well as our beautiful sides and thus many passages addressed my very own feelings and also sparked a number of tears. In this aspect there are quite some parallels to the previous books in this blog.

Typically I also cite paragraphs or passages from the books that I read in order to fill the silhouettes I paint with the colours of the book. However, in this case I would like to cite a completely different book that I have read a few years ago. But in my view this directly addresses the heart of 'My Sister's Keeper'. It's a passage from "Der Prophet" by Khalil Gibran (and I'm sorry for the language, but I only have this book in German):

[...]
Eure Kinder sind nicht eure Kinder.

Sie sind die Söhne und die Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selbst.
Sie kommen durch euch, doch nicht aus euch,
Und sind sie auch bei euch, gehören sie euch doch nicht.

Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, doch nicht eure Gedanken,
Denn sie haben ihre eigenen Gedanken.
Ihren Körpern dürft ihr eine Wohnstatt bereiten, doch nicht ihren Seelen,
Denn ihre Seelen wohnen im Haus der Zukunft, und das bleibt euch verschlossen, selbst euren Träumen.
Ihr dürft danach streben, ihnen ähnlich zu werden, doch versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen.
Denn das Leben schreitet nicht zurück, noch verweilt es beim Gestern.

[...]

Dienstag, 25. Dezember 2007

Narziß und Goldmund – Hermann Hesse

In gewohnt bildlicher und anmutiger Sprache führt uns Hesse ins ausgehende Mittelalter nach Süd-Deutschland. Dort trifft der junge Goldmund, der von seinem Vater aufgezogen wurde und seine Mutter nie richtig kennengelernt hat auf den jungen Lehrer Narziß, der ihm in so vielen Dingen überlegen erscheint. Narziß ist ein junger Gelehrter und Menschenkenner, der trotz seines jungen Alters in Disziplinen wie der Philosophie, Griechisch oder Latein bereits vielen der alt eingesessenen Lehrer überlegen ist. Schon bald entwickelt sich eine Freundschaft zwischen den Beiden obwohl am Anfang völlig unklar ist, wo das verbindende Element in ihrer Freundschaft und die Faszination der Beiden füreinander liegt. Zwar strebt Goldmund danach ebenso gebildet und wortgewandt wie Narziß zu werden, doch bereits nach den ersten Kapiteln wird klar, dass er dies nie erreichen wird. Dies führt auch im Roman zu einer Schlüsselszene, in der Narziß Goldmund mit dieser Tatsache konfrontiert und so heftigste Reaktionen in Goldmund auslöst. Nach einer fast sprichwörtlichen ‚Neugeburt’ beschliesst Goldmund das Kloster zu verlassen und die Welt zu bereisen.

„Er [Anm.: Narziss] sah Goldmund aus geheimen Quellen her mit Kräften gespeist, die ihm selbst fremd waren; er hatte ihr Wachstum fördern können, hatte aber keinen Anteil an ihnen. Mit Freude sah er den Freund sich von seiner Führerschaft befreien und war doch zuweilen traurig. Er empfand sich als überschrittene Stufe, als weggeworfene Schale.“

Als Leser folgen wir Goldmund nun auf seinem jahrelangen Weg durch das Land auf dem er sich, ganz im Unterschied zu Narziß, der Wollust sowie der Kunst hingibt und Stück für Stück seine eigene, ihm lange verborgende Identität entdeckt. Immer wieder lässt uns Hesse dabei ganz tief in die Seele Goldmunds blicken und die tiefe Zerrissenheit zwischen der Hingabe an das Leben und der Hingabe an die Kunst erkennen.

„Es war ja schmählich, wie man vom Leben genarrt wurde, es war zum Lachen und zum Weinen! Entweder lebte man, ließ seine Sinne spielen […] dann gab es zwar manche hohe Lust, aber keinen Schutz gegen die Vergänglichkeit […]. Oder man setzte sich zur Wehr, man sperrte sich in eine Werkstatt ein und suchte dem flüchtigen Leben ein Denkmal zu bauen – dann mußte man auf das Leben verzichten, dann war man bloß Werkzeug, dann stand man zwar im Dienst des Unvergänglichen, aber man dorrte dabei ein und verlor die Freiheit, Fülle und Lust des Lebens.“

Nach vielen Jahren treffen Narziß und Goldmund dann in einer äusserst bedrohlichen Lage aufeinander und ihre Freundschaft lodert erneut auf. Goldmund folgt Narziß, der mittlerweile Abt des Klosters geworden ist zurück in seine alte Heimat und widmet sich dort ganz seiner Kunst ohne jedoch die Sehnsucht nach der Wanderschaft ganz ablegen zu können. Wie ein Schwelbrand steckt diese Lust in ihm und treibt ihn schlussendlich dazu noch einmal hinaus in die Welt zu reisen. Was auf dieser Reise geschehen ist erfährt der Leser nur andeutungsweise. Umso stärker beobachtet man jedoch wie Goldmund seinem inneren Frieden näher kommt.

„…Es war ihm auch Anderes [Anm.: während der Reise] abhanden gekommen und hatte ihn verlassen: die Jugend, die Gesundheit, das Selbstvertrauen, das Rot im Gesicht und die Kraft im Blick. Dennoch gefiel ihm das Bild: dieser alte schwache Kerl im Spiegel war ihm lieber als der Goldmund, der er so lang gewesen war. Er war älter, schwächer, kläglicher, aber er war harmloser, er war zufriedener, es war besser mit ihm auszukommen.“

Wieder erzählt Hesse eine Geschichte in unglaublich schönen Bildern und Metaphern. Eine Geschichte, die, je mehr ich darüber nachdenke, auch mit meinem eigenen Leben zu tun hat. Während in meinen Schuljahren und der Zeit des Studiums vor Allem das Faktische, Logische und Wissenschaftliche meinen Geist erfüllte und ich aus dem Drang die Welt verstehen zu wollen Physik studierte, so sind es heute zunehmend die weichen, emotionalen und künstlerischen Dinge, die mich nun bewegen. Würde ich heute noch einmal studieren, so wäre es sicher Philosophie oder noch viel eher Psychologie, denn die Physik mag zwar erklären wie etwas abläuft und wie Dinge zusammenhängen, man erfährt also viel über das ‚Wie’. Das ‚Warum’ vermag sie aber grundsätzlich nicht zu beantworten. Ich komme auch immer mehr zur Einsicht, dass das ‚Warum’ kein universelles ‚Warum’ sein kann, das irgendwelchen Naturgesetzen unterliegt, sondern eher ein individuelles ‚Warum’, welchem man mit den Methoden der Psychologie, der Anthropologie oder der Epistemologie wesentlich näher kommt. Auch spielt die Kunst, und hier natürlich im Speziellen das Schreiben, eine immer grössere Rolle in meinem Leben, da sie Dinge in mir anspricht, die lange brach gelegen haben. Dinge, von denen ich das Gefühl habe, dass sie mich vervollständigen.

Hesses Roman zeigt in den Figuren Narziß und Goldmund eine wirklich schöne Konvergenz dieser beiden Welten, bis hin zu der Erkenntnis auf den letzten Seiten, dass es sich hierbei nicht unbedingt um verschiedene Welten handeln muss. Ein schöner Ausblick ;-).

Montag, 24. Dezember 2007

Fast ein bißchen Frühling – Alex Capus

Dieser Roman von Alex Capus spielt in den frühen 30er Jahren und handelt von zwei Freunden, die beschliessen einen Banküberfall zu tätigen um mit dem erbeuteten Geld nach Indien auswandern zu können und dort ein neues Leben aufzubauen. Der Banküberfall findet auch wirklich statt doch ist die Ausbeute bei weitem nicht so reichlich ausgefallen, wie sich das die beiden Freunde erhofft hatten. Weiterhin ist ein Bankangestellter bei dem Überfall ums Leben gekommen. Die anschliessende Flucht nach Indien endet jedoch bereits in Basel, wo die Beiden in einem Kaufhaus in der Schallplattenabteilung auf die junge Verkäuferin Dorly treffen.

Basierend auf einer wahren Begebenheit hat Capus diesen Roman sehr nahe an die historischen Fakten angelehnt. Nicht nur im Faktischen, sondern auch in seinem Schreibstil. Immer wieder einfliessende Polizeiprotokollabschnitte, Beobachtungen oder Aussagen aus Verhören beleuchten die erzählte Geschichte in ungewöhnlicher Weise. Diese Schreibweise hat auch zur Folge, dass Capus immer einen gewissen Abstand zu seinen Charakteren wahrt und diese relativ neutral betrachtet und beschreibt. Einerseits ist das interessant, denn ich kenne sonst keine Bücher, die so geschrieben sind. Andererseits haben mir aber auch die tieferen Charaktere der beiden Freunde, wie auch die von Dorly gefehlt um richtig in der Geschichte zu versinken. So habe ich sie doch relativ oberflächlich gelesen und wurde nie richtig in den Strudel der Ereignisse hineingezogen.

Alles in Allem ein interessantes Buch, das aufgrund der Erzählweise an das literarische Pendant eines Road-Movie erinnert und beim Leser neben der öfters zitierten Parallelen zu Bonnie und Clyde auch Erinnerungen an Thelma und Louise wach werden lässt. Es ist aus meiner sicht jedoch kein Buch in das man wirklich versinken kann und die Geschehnisse selbst miterleben und mitfühlen kann. Immer ist sich der Leser des Lesens bewusst und betrachtet den Roman von ‚aussen’.

Sonntag, 23. Dezember 2007

Das Schloss der Frösche – Jostein Gaarder

Heute wollte ich eigentlich mal wieder fliegen gehen und etwas über der Welt schweben. Der dichte Nebel hat mich jedoch am Boden gehalten. Also hab ich erstmal richtig ausgeschlafen, etwas rumgebummelt und mir dann ein Bad einlaufen lassen und in der Badewanne ein Kinderbuch gelesen. Das war irgendwie das passende Pendant zum Fliegen heute.

Kristoffer Poffer ist ein junger Prinz, der in seinem Schlafanzug nachts im Wald auf den Wichtel Umpin trifft. Eigentlich ist Kristoffer aber kein Prinz; und Poffer heisst er auch nicht wirklich mit Nachnamen. Nur wie sollte er das dem Wichtel erzählen, denn als normalen kleinen Jungen hätte dieser ihn wohl kaum ernst genommen. Und so wurde Kristoffer zu einem richtigen Prinzen.

Zusammen mit Umpin reist Kristoffer durch eine geheimnisvolle Welt voller Tiere und Menschen, die ihn alle irgendwie auch an seine Familie erinnern. Zwischen Pfannkuchen mit Erdbeermarmelade, Salamandern, die einen Aufstand im Königreich anzetteln, einer undurchsichtigen Königin und einem König, dem das Herz gestohlen wurde, entdeckt Kristoffer die ganz eigenen Gesetzmässigkeiten dieser Welt. Gesetzmässigleiten, die für den (Vor-)Leser wohl so fantastisch und unerklärlich erscheinen wie die Erwachsenenwelt auf Kinder wirken muss - und doch findet Kristoffer immer wieder Parallelen. So wird der alte König immer mehr zu Kristoffers verstorbenen Grossvater, so dass sich die Beiden am Ende ihrer jeweiligen Reise nocheinmal begegnen können.

Wenn man sich auf eine Welt in der man nicht viel versteht einlässt und sie erkundet, dann beginnt sie manchmal auf erstaunliche Weise Sinn zu machen. Ein paar mal ist mir beim Lesen einer meiner Lieblingssätze, die mir beim Tagebuchschreiben eingefallen sind, in den Sinn gekommen:

"Oft ist es unsere Blauäugigkeit, die uns Türen öffnet, die wir schon lang zuvor verschlossen geglaubt haben."

Und natürlich wäre es kein Buch von Gaarder, wenn nicht Gaarder typische Zitate vorkommen würden. So regt Gaarder die Fantasie derer, die diese Geschichte vorgelesen bekommen, wie auch derer, die sie vorlesen an ohne das Märchen zu überladen.

Er hatte schon so oft Dinge gesagt, die ich nicht wusste, und wer in einem Traum lebt, kann ja wohl nicht klüger sein als der, der den Traum träumt.
[...]
»Gut«, sagte er. »Das ist die Welt draußen. Aber es gibt auch eine Welt in Dir, und die heißt die Welt der Fantasie. Willst Du behaupten, dass Du alles kennst, was es darin gibt?«


oder

»Lieber kleiner Kristoffer Poffer«, sagte er. »Es gibt nichts, das nur ein Traum wäre. "Nur ein Traum" zu sagen ist so, als sagte man "nur eine Wirklichkeit", denn ein kleiner Pofferprinz lebt genauso viel im Traumland wie in dem anderen, aus dem er kommt.«

Samstag, 15. Dezember 2007

Gesammelte Olivenkerne aus dem Tagebuch der Fremde – Rafik Schami

Olivenkerne nennt Rafik Schami seine meist ein bis drei Seiten langen Texte von denen er 57 in diesem Buch veröffentlicht hat. Die ersten Olivenkerne Schamis erblickten im Februar 1994 das Licht der Öffentlichkeit in Form einer Kolumne der Schweizer Wochenzeitung. Vom 18.02.1994 bis zum 17.02.1995 veröffentlichte Schami jede Woche einen seiner Olivenkerne. Die hier vorliegende Sammlung von Olivenkernen ist nun Schamis eiserne Reserve, welche er sich aus der Angst nicht jede Woche einen Text unter Termindruck fertig stellen zu können angelegt hat.

Wie die anderen Bücher, welche ich bisher von Schami gelesen habe (Eine Hand voller Sterne, Das letzte Wort der Wanderratte, Märchen aus Malula) ist auch dieses Buch sehr stark im Arabischen verwurzelt. Schami, der schon über ein Vierteljahrhundert in Europa lebt, schaut mit dem Herzen eines Arabers auf die Unterschiede dieser beiden Welten und versteht es gekonnt und ohne jegliche Polemik deren Eigenheiten gegenüberzustellen.

"Unsere Zeit ist erschreckend schnellebig. Die Entwicklung der letzten fünf Jahre hätte früher Jahrhunderte gebraucht. Der Koloß im Westen hat seinen östlichen Rivalen besiegt und ist selbst so entkräftet, daß er für die Zukunft keine Visionen mehr besitzt. So fallen viele der ehemals bewegenden Ideen in einen bodenlosen Sumpf der Barbarei zurück. Extremer Nationalismus, Fundamentalismus und Bürgerkrieg sind Spielvarianten des Verlusts der Hoffnung auf Zukunft."

Allerdings muss ich sagen, dass mir die anderen Bücher von Schami einiges besser gefallen haben. Zum Teil finde ich die Texte doch etwas einfach gestrickt und ich vermisse seine Differenziertheit, welche er in seinen sonstigen Büchern an den Tag legt. Alles in Allem, ein nettes Buch zu lesen, aber sicher keines, welches man unbedingt gelesen haben muss.

Montag, 10. Dezember 2007

Der Steppenwolf – Hermann Hesse

Heute habe ich mir mal wieder einen total angenehmen Lesetag gemacht. Nachdem ich so richtig ausgeschlafen habe, hab ich erstmal meine eMails beantwortet, etwas zu Mittag gekocht und dann so langsam das Wasser einlaufen lassen. Mit einer Flasche Prosecco, Vanillekerzen, Kokos-Badezusatz, ein paar Keksen und meinem MacBook und iTunes habe ich es mir dann im Bad bequem gemacht und bin über drei Stunden drin liegen geblieben und habe den Steppenwolf fertig gelesen, den ich gestern Nacht noch im Starbucks angefangen habe.

Den Steppenwolf hatte ich schon vor ein paar Jahren mal angefangen zu lesen, aber irgendwie hat er mich nicht angesprochen und so habe ich ihn damals wieder weg gelegt. Ich keine Ahnung, warum er mich nicht angesprochen hat, denn heute finde ich ihn einfach genial ;-). Zwar ist der erste Teil bis zum 'Tractat vom Steppenwolf' etwas langatmig, aber ab dort habe ich angefangen das Buch zu verschlingen.

Harry Haller ist ein Einzelgänger, ein Sonderling, der sich selbst abseits der Gesellschaft bewegt, da er sich mit dieser unvereinbar sieht. In ihm wirken viele gegensätzlichen Kräfte und so konstruiert er sein eigenes Bild des Steppenwolfes (Hier kommt der Satz, den Max Frisch in 'Mein Name sei Gantenbein' geschrieben hat so richtig zur Geltung: "Jeder Mensch erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er für sein Leben hält."). Einem Menschen, in dem ganz im Sinne eines dualistischen Weltbildes das Tier schlummert.

Als Harry eines Abends wieder einmal rastlos durch die Nassen Strassen der Stadt streift, trifft er auf Pablo, der ihm fast beiläufig ein kleines Buch überreicht - Das 'Traktat vom Steppenwolf'. Und als Harry beginnt das Traktat zu lesen entdeckt er, dass es sich dabei um sein eigenes Leben handelt. Im Traktat wird Anfangs genau beschrieben, wie Harry sich fühlt und was in ihm vorgeht. Doch gegen Ende des Traktats geht das Geschriebene über sein jetziges Leben hinaus und wirft seine Schatten weit in die Zukunft. Schon jetzt lässt das Traktat den Leser erahnen was auf Harry in der Zukunft warten mag. Dieser Teil des Buches mag vermutlich auch Jostein Gaarder als Anregung für 'das Kartengeheimnis' gedient haben. Ich fühlte mich einige Male an dieses tolle Buch erinnert.

Doch wirklich gepackt hat mich das Buch als Hermine ins Bild getreten ist. Haller trifft Hermine in einem Wirtshaus und beide erkennen sofort den Leidensgenossen (wenn auch aus ganz unterschiedlichen Perspektiven gesehen) ineinander. Durch Hermine lernt Harry Haller sein bisheriges Leben zu hinterfragen und er lässt sich bereitwillig Alternativen dazu zeigen. Mich hat die Figur der Hermine total beeindruckt und ein paar mal habe ich mich dabei entdeckt, dass ich neben dem Lesen abgeschweift bin und überlegt habe, wie wohl Hermine in meinem Leben wirken würde.

"Das Steppenwolftraktat und Hermine hatten recht mit ihrer Lehre von den tausend Seelen, täglich zeigten sie neben all den alten auch noch einige neue Seelen in mir, machten Ansprüche, machten Lärm, und ich sah nun deutlich wie ein Bild von mir den Wahn meiner bisherigen Persönlichkeit. Die paar Fähigkeiten und Übungen, in denen ich zufällig stark war, hatte ich allein gelten lassen und hatte das Bild eines Harry gemalt und das Leben eines Harry gelebt, der eigentlich nichts war als ein sehr zart ausgebildeter Spezialist für Dichtung, Musik und Philosophie - den ganzen Rest meiner Person, das ganze übrige Chaos von Fähigkeiten, Trieben, Strebungen hatte ich als lästig empfunden und mit dem Namen Steppenwolf belegt."

Durch Hermine lernt Haller auch Pablo, den Saxophonspieler kennen, der ihm zuvor anonymerweise das Traktat überreicht hat. Pablo ist es auch, der die Beiden nach einem Maskenball in sein magisches Theater (hierbei handelt es sich um Drogen) einlädt, in welchem Harry sich die Möglichkeit bietet, sein bisheriges Leben neu zu durchleben. In einer wuchtigen und wortgewaltigen Darstellung beschreibt Hesse eindrücklich diesen Zustand zwischen Traum, Halluzination und Wahrheit und gibt Haller die Möglichkeit all seine neuen Erfahrungen und Einsichten in sein bisheriges Leben einzubauen und damit all seinen anderen Seiten, die er zuvor als verabscheuenswert abgetan hatte gerecht zu werden.

Oftmals habe ich die Angewohnheit, dass ich meine Gedanken und Gefühle beim Lesen eines Buches direkt ins Buch schreibe und diese Seite sodann mit einem Eselsohr kenntlich mache. Dieses Buch wimmelt nun nur so von Eselsohren. So viele Stellen haben mich an mich selbst erinnert, so viele Sätze haben mich zum denken angeregt. Doch so richtig fasziniert hat mich die Figur der Hermine! Aber es ist nicht nur der Inhalt, der mich fasziniert hat. Es ist ebenso die Sprache Hesses. Wortgewaltig, fast Opulent und unheimlich eindrücklich schildert er im zweiten Teil des Buches die Reise in Hallers Sehnsucht und verborgene Welt. Wer dieses Buch noch nicht gelesen hat sollte dies ganz schnell nachholen!!!

Samstag, 8. Dezember 2007

Gertrud – Hermann Hesse

Auf 181 Seiten folgt man dem jungen Kuhn durch sein Leben, sieht die Welt mit seinen Augen und merkt dabei sehr oft, dass seine Augen zu Unseren auch nicht sehr unterschiedlich sind.

Die Erzählung beginnt in den Jahren Kuhns Kindheit in der er als ungeliebter und wenig begabter Schüler unberührt und unauffällig durch die Schule ging. Zwar sehnte er sich danach sich auszudrücken doch erst im siebten Lebensjahr entdeckte er die Musik für sich, die ihn anhin für sich einnahm und sich dort erst langsam entfaltete.

In den ersten beiden Kapiteln lernt man viel über Kuhns Kindheit und Jugend kennen. Man erlebt die erste Liebe hautnah mit, die zerrissenen Gefühle zwischen totaler Euphorie und bodenloser Niedergeschlagenheit. Doch je mehr man liest, so deutlicher wird, dass Kuhn ein sehr sensibler und feiner Mensch ist. So dauert es auch nicht lange, bis die Fragen des Lebens, des Sinns und des Glücks am Horizont der Jugend erscheinen und ihn über die nächsten Kapitel hinweg ins Leben eines Erwachsenen begleiten.

"...und ich fühlte in den dunklen Stunden mein krankes Herz mit doppelter Glut sich dehnen und empören, und ich unterschied nicht mehr Genuß und Weh, sondern eines war dem andern gleich, und beides tat weh, und beides war köstlich. Und während es mir innen wohl und weh erging, stand meine Kraft doch in Ruhe darüber, schaute zu und erkannte, das Helle und Dunkle als geschwisterlich zusammengehörend, das Leid und den Frieden als Takte und Kräfte und Teile derselben großen Musik."

Im dritten Kapitel lernt Kuhn den extrovertierten und emotional nicht sehr stabilen Sänger Heinrich Muoth kennen, mit welchem ihn nach anfänglicher Skepsis und Vorsicht eine tiefe Freundschaft verbinden soll.

"...und spürte zum erstenmal in meiner leichten Jugend so deutlich, daß man durchs Leben und durch die Menschen nicht so einfach gehen könne, da mit Haß und da mit Liebe, da mit Verehrung und dort mit Verachtung, sondern, daß alles durcheinander und beieinander wohne, kaum getrennt und in Augenblicken kaum unterscheidbar."

Selbst die Tatsache, dass Muoth diejenige Frau heiratet, die Kuhn über alles liebt, vermag die Freundschaft der Beiden lediglich temporär zu entfremden und immer mehr und mehr wachsen die Gefühle der verschiedenen involvierten Personen füreinander, denn es ist um diese Zeit, dass Kuhn entdeckt, dass sein Egoismus ihn bis dato davon abgehalten hat den tieferen Sinn seines Lebens zu erfühlen.

"Ich glaube man kann im Leben eine ganz genaue Grenze ziehen zwischen Jugend und Alter. Die Jugend hört auf mit dem Egoismus, das Alter beginnt mit dem Leben für Andere. Ich meine es so: junge Leute haben viel Genuß und viel Leiden von ihrem Leben, eil sie es nur für sich allein leben. Da ist jeder Wunsch und Einfall wichtig, da wird jede Freude ausgekostet, aber auch jedes Leid, und mancher, der seine Wünsche nicht erfüllbar sieht, wirft gleich das ganze Leben weg. Das ist jugendlich. Für die meisten Menschen aber kommt eine Zeit, wo das anders wird, wo sie mehr für andere leben, keineswegs aus Tugend, sondern ganz natürlich. Bei den meisten birgt es die Familie. Man denkt weniger an sich selber und seine Wünsche, wenn man Kinder hat. Andere verlieren den Egoismus an ein Amt, an die Politik, an die Kunst oder Wissenschaft."

Dieser Satz, obwohl er bereits 1910 geschrieben wurde, passt meiner Meinung nach unglaublich gut in unsere Zeit. Eine Zeit, in der die Selbstverwirklichung eine goldene Kuh geworden zu sein scheint. Doch wenn man sich überlegt, dass Hesse dies bereits 1910 geschrieben hat fragt man sich, ob diese goldene Kuh wirklich nur eine Erfindung der Neuzeit ist oder ob sie lediglich dem Menschsein innewohnt. Wohlgemerkt rät Hesse hier nicht dazu so schnell wie möglich erwachsen zu werden, sondern dann, wenn es Zeit dafür ist; denn ein paar Zeilen weiter schreibt er:

"Auch werden aus den eifrigsten Jungen die besten Alten und nicht aus denen, die schon auf Schulen wie Großväter tun."

Das Buch ist gespickt mit solchen Überlegungen, die einen sehr dazu anregen über sein eigenes Leben nachzudenken. Doch all diese Dinge sind auch in eine wunderschöne Geschichte verpackt. Eine Geschichte einer Liebe, die trotz ihrer Unmöglichkeit nicht einfach versandet oder sich auflöst. Vielmehr findet dieser Strom zwischen Kuhn und Gertrud seinen eigenen Lauf und gräbt sich fern ab von allen Konventionen und Lebensformen sein eigenes Bachbett.

Die Sprache ist, wie von Hesse gewohnt, blumig und weich. Die Charaktere sind wunderbar beschrieben und in ihrer Ausgeprägtheit auch sehr authentisch. Obwohl man dabei immer wieder vermuten mag, dass Hesse genau diese beiden Charaktere selbst verkörperte. Letztendlich ist dies ja eines der immer wiederkehrenden Themen in seinen Büchern und im Gegensatz zu 'Demian' oder 'Klein und Wagner' hat Hesse diese verschiedenen Welten nun in zwei eigenständigen Charakteren wachsen lassen, die nicht nur zufällig eine innige Freundschaft verbindet, obwohl sie sich auch immer wieder als gegenteilige Pole begegnen.

Freitag, 7. Dezember 2007

Musik & Gefühle

Vor ein paar Tagen hat mir eine Bekannte eine eMail mit einem Link zu dem Song 'Dienen' von 'ich + ich' geschickt. Zuerst hat mir das Lied garnicht so gut gefallen. Aber den Cartoon hab ich sofort ins Herz geschlossen. Jetzt, da ich es öfters gehört habe, will es mir nicht mehr aus dem Kopf gehen. Mittlerweile gefällt mir der Song wirklich total gut. Einerseits der Text und andererseits auch die Stimmen.



Natürlich habe ich auch in YouTube nach weiteren Songs von 'ich + ich' geschaut. Und erst da habe ich gemerkt, dass der Song 'Vom selben Stern' auch von 'ich + ich' ist, denn diesem Song kann man beim Radiohören fast nicht entgehen. Aber besonders angetan hat es mir 'Du erinnerst mich an Liebe'. Irgendwie treffen beide Songs genau in mein Herz, denn in letzter Zeit bin ich eher sensibel und manchmal fast schon träumerisch in meiner Freizeit. Vielleicht ist das eine Gegenreaktion zu meinem Beruf, der im Moment kaum etwas neben sich duldet. Vielleicht aber auch einfach nur meine Sehnsucht, die mich öfters daran erinnert, was wirklich wichtig ist. Aber in den wenigen freien Momenten sind es Gedanken und Gefühle, die diesen beiden Songs und den Cartoons sehr nahe kommen, die mich beschäftigen.



Der Hund in diesem Cartoon hat mich übrigens sehr stark an den Hund in dem Buch ‚Der Hund mit dem gelben Herzen oder die Geschichte vom Gegenteil erinnert’. Dieser Hund streunt auch durch die Welt auf der Suche nach Geborgenheit und Liebe und versucht sich diese zu erkaufen, bis er endlich merkt, dass Geborgenheit ein kostenloses Gut ist.

Abschliessend möchte ich K. noch ganz lieb danken, dass Sie mir das Lied geschickt hat und mir damit eine grosse Freude gemacht hat. Ich wünsche Dir ganz viel Glück, Freude und Sinn in den schweren Tagen, die Du gerade hast!

Samstag, 1. Dezember 2007

Gedanken zur Melancholie

In letzter Zeit habe ich einiges an Melancholie in meinem Freundeskreis wahrgenommen und auch ich kenne sie natürlich sehr gut aus den vergangenen Jahren. Stets eine treue Begleiterin, die einen fordert aber nicht überrennt, die einen zwingt sich mit sich selbst zu beschäftigen und die uns somit hilft uns selbst zu erkennen. Grund genug sich Gedanken zu diesem Gefühl zu machen.

Vielleicht lässt sich die Melancholie mit einem Schockzustand vergleichen. Nicht in der Art, wie sie in unser Leben tritt, denn selten überkommt sie uns so plötzlich und unerwartet wie ein Schock. Meist ist die Melancholie viel subtiler. Sie schleicht sich unbemerkt in unser Leben und spricht über lange Zeit oft nur mit ganz leiser Stimme. So leise, dass der Lärm des Alltags ihre Botschaften überdeckt und wir im besten Falle nur erahnen mögen, dass etwas hinter der nächsten Ecke auf uns lauert.

Ich ziehe den Vergleich eher in Bezug auf die Auswirkungen der Melancholie. Eben weil sie so schleichend daher kommt überhören wir sie oft. So beginnt sie zu wachsen und bäumt sich erst kurz bevor sie das Ufer unseres Bewusstseins erreicht meterhoch vor uns auf, so dass wir sie nicht mehr ignorieren können. Dann bricht sie über uns herein und koppelt uns von unserer Umwelt ab; und hier liegt mein Vergleich zu einem Schockzustand. Einmal über uns hereingebrochen lässt die Melancholie all das, dem wir zuvor verschrieben waren, nichtig und klein erscheinen und kapselt uns dadurch in einen Kokon der Emotionen und Gefühle. Eine Hülle, durch die nichts zu uns hindurchzudringen vermag und die uns zwingt uns mit uns selbst zu beschäftigen. Wie der Körper auf physischen Schmerz reagiert und sich in sich zurückzieht, so reagiert unsere Seele auf Verletzungen und zwingt uns dem Menschen in die Augen zu schauen, der wir wirklich, fernab aller Wünsche und Pflichten sind.

Natürlich hätten wir die Wahl gehabt schon auf die kleinen, sanften Stimmen der Melancholie zu hören und ihr rechtzeitig Aufmerksamkeit zu schenken. Doch meistens liegt die Anästhesie des Alltags wie eine grosse Glasglocke über uns (dieses Zitat stammt aus einer meiner Kurzgeschichten) und hält uns von all diesen Gedanken fern. Geboren ist diese Anästhesie des Alltags wohl aus dem Gedanken, dass Leid und Schmerz verabscheuenswürdige Dinge sind. Erst wenn wir Leid und Schmerz als Teil unseres Lebens verstehen und nicht als bedrohliche Metastasen, die so schnell wie möglich entfernt werden müssen - erst dann werden wohl unsere Ohren fein genug sein um die leisen Stimmen der Melancholie, des Wächters unserer Seele, zu vernehmen und uns selbst ein Stück näher kommen.