Sonntag, 28. Oktober 2007

Tote ohne Begräbnis – Jean-Paul Sartre

'Tote ohne Begräbnis' ist ein 1947 erschienenes Theaterstück von Sartre. Es spielt kurz vor Kriegsende im Frankreich des Jahres 1944. Fünf Anhänger der Resistance sitzen gefesselt auf dem Dachboden eines Hauses, welches von französischen Kollaborateuren des deutschen Regimes beherrscht wird und warten auf Folter und Tod.

Ihren Anführer wähnen Sie in Sicherheit irgendwo in Grenoble. Doch die Lage ändert sich, als die Tür zu ihrem Dachboden auf geht und Jean hineingestossen wird, den die Kollaborateure noch nicht als Anführer der Resistencegruppe erkannt haben. Waren die Gefangenen zuvor bezüglich des genauen Aufenthaltsortes von Jean noch unbedarft, so müssen sie nun ein Geheimnis vor den Kollaborateuren hüten. Erst jetzt macht sich so richtig die Angst vor der Folter breit, obwohl diese schon lange präsent war. Auch gibt dieses Ereignis der Gruppendynamik ein ganz anderes Moment und der Leser wird Zeuge, zu was Menschen in Extremsituationen fähig sind.

Für mich war dies nach 'Geschlossene Gesellschaft' das zweite Theaterstück, welches ich von Sartre gelesen habe und eigentlich bin ich etwas enttäuscht davon. Zwar werden die Charaktere der Beteiligten sehr plastisch beschrieben, doch irgendwie hat mir die Tiefe und die Verbindung zu dem Buch gefehlt. Nun könnte man meinen, dass dies nur am Thema liegt zu dem ich wenig Verbindung habe. Doch 'Das Spiel ist aus' ist ebenfalls in das grosse Thema der Resistence und der Revolution eingebettet und dieses Buch hat mich um Grössenordnungen mehr berührt.

Summa summarum ist es ein interessantes und gut geschriebenes Buch, welches Spass gemacht hat zu Lesen. Doch die drei anderen Bücher, die ich bisher von Sartre gelesen habe (Geschlossene Gesellschaft, Das Spiel ist aus und Baudelaire), lassen dieses Buch etwas im Schatten stehen.

Samstag, 27. Oktober 2007

Zündels Abgang – Markus Werner

Nun ist es schon eine halbe Ewigkeit her, dass ich einen Blogeintrag geschrieben habe. Ich hatte auch in letzter Zeit so gut wie keine Ruhe zum Lesen. Neben Job und Fliegen war ich viel Tauchen und habe mich sehr viel mit Freunden getroffen. Aber ich merke, wie mich die Bücher wieder anziehen nach einer so langen Zeit ohne sie ;-).

Von Markus Werner habe ich zwar früher schon einiges gelesen, eines seiner bekanntesten Bücher ist mir allerdings bis heute erhalten geblieben. In 'Zündels Abgang' erzählt Viktor Busch, ein Freund des Protagonisten Konrad (Koni) Zündel basierend auf dessen Aufzeichnungen, die letzten Wochen im Leben des Konrad Zündel.

Konrad ist Mitte dreissig, Lehrer und hat einen Hang zum Pessimismus. Er ist aber auch sehr feinfühlig und macht sich viele Gedanken über das Leben und seine Rolle in Diesem. Zündels Dilemma könnte man folgendermassen beschreiben: Er besitzt einen feinen und zerbrechlichen Charakter, jedoch nicht das Selbstverständnis, die von aussen an ihn herangetragenen Erwartungen wie 'hart zu sein' oder 'Erfolg zu haben' für sich selbst abzulehnen. So lebt er stets in dieser Dychotomie, in der er sich immer tiefer verstrickt je mehr er versucht ihr zu entrinnen.

Das Produkt dieses dychotomischen Kampfes sind wunderbare Betrachtungen Zündels Lebens, die beim Leser selbst immer wieder Anknüpfungspunkte an das eigene Leben wach werden lassen. Anknüpfungspunkte, die uns zwar meist vom Verstand her bekannt sind, die aber einerseits schön beschrieben sind und uns andererseits eben doch noch einmal zum Denken und Fühlen anregen.

"Und nur schärfer wurde sein Schmerz, als er innewurde, daß der verhängnisvollste, wenn auch begreiflichste aller Fehler darin besteht, einen geliebten Menschen zum alleinigen Sinnspender zu erheben. - Freilich, als Trivialtheorie war diese Einsicht ihm längst geläufig, doch was für Welten trennen das Gewußte vom leibhaft und überfallartig Gefühlten!"

Dies hat mich natürlich an Sartres Gesetz der Einsamkeit erinnert. Speziell jedoch der zweite Teil des Zitates hat es mir angetan, denn ich kenne das Gefühl nur zu gut, dass man plötzlich Dinge entdeckt, die man rein faktisch schon lange zuvor gekannt hatte. Doch auf ein Mal machen sie plötzlich Sinn, der Bauch versteht sie. Dies ist ein wunderbares Gefühl und dieses Zitat hat es erneut in mir wach werden lassen.

Ein weiteres Zitat, welches Zündels Lage relativ gut beschreibt ist:

"Eines bleibt sicher: Wer nicht bereit ist, stumm und spurlos durchs Leben zu huschen, ist ein geltungssüchtiger Schmutzfink. Ende.
P.S. Auf die raffinierteste Weise wichtig macht sich der Schweigende."


Denn Zündel lebt in solchen Komplexitäten und baut sich somit selbst ein Gefängnis welches ihm die Last der Freiheit, nämlich die Möglichkeit zu scheitern, vorenthält.

Zum Schluss füge ich einfach noch zwei weitere schöne Zitate aus dem Buch kommentarlos an:

"Tina Bar, 11.7. Das neue Wörterbuch. Eine Handreichung für mich und andere Nachzügler. Erster Teil. - Einzuprägen: Eigensucht heißt jetzt Selbstentfaltung. Rücksichtnahme heißt Spontaneität. Rohheit heißt Freimut. Treulosigkeit heißt Spontaneität. Charakterlosigkeit heißt Aufgeschlossenheit für alles Neue. Hohlheit heißt Empfänglichkeit. Das Unvermögen, alleine zu sein, heißt kommunikative Kompetenz."

"Nach einer Weile sagte er: Solche Eltern gehören ausgepeitscht! - Nein! sagte sie. - Doch! sagte er. - Nein sagte Sie, alle Eltern gehören ausgepeitscht, denn alle machen alles falsch! Aber da die meisten Menschen für die Fehler ihrer Eltern dankbar sind, weil diese Fehler die eigenen Fehler entschuldigen, gehören die Eltern doch nicht ausgepeitscht. Voilà. Und nun willst du also mit mir schlafen?"