Donnerstag, 29. Januar 2009

Krabat – Otfried Preußler

Wir schreiben das erste Viertel des 18.- Jahrhunderts. Der grosse Nordische Krieg wütet bereits in Nordeuropa und kündigt ein neues Machtgefüge für ganz Europa an. In Mitten all dieser Wirren, trifft der 14-jährige Waisenjunge Krabat wie von Geisterhand geführt in der Mühle im Koselbruch bei Schwarzkollm ein und wird dort vom Müllermeister und seinen elf Mühlknappen als zwölfter Lehrling aufgenommen. Schon während den ersten Wochen freundet sich Krabat mit dem Altgesellen Tonda an, der ihn immer wieder unterstützt und ihm wie ein Bruder zur Seite steht. Doch schnell merkt Krabat, dass es in dieser Mühle nicht mit rechten Dingen zugeht.

 

Neben dem Müllerhandwerk unterrichtet der undurchsichtige und herrschsüchtige Müllermeister seine Mühlknappen auch in der Kunst der Magie und bevor er sich versieht, wird Krabat zum zwölften Lehrling dieser „schwarzen Schule“. Anfänglich findet Krabat sogar Gefallen an der Macht der Magie doch spätestens als er erfährt wozu der siebte und verlassene Mahlgang benutzt wird und was es mit dem „Herrn Gevatter“ auf sich hat, welcher jede Vollmondnacht mit einer Kutsche wie von Geisterhand gezogen vorfährt, merkt Krabat wie tief er sich bereits in sein Schicksal verstrickt hat.

 

Krabat von Otfried Preußler ist ein Märchen, welches auf einer alten sorbischen Volkssage aus dem 17.-Jahrundert beruht. Wie in allen Märchen geht es auch hier um den Wettstreit zwischen Gut und Böse, es geht um die eigene Integrität und es geht (zum Schluss) um die Liebe. Doch trotz dieses klassischen Aufbaus war Krabat für mich jederzeit auch ein modernes Märchen. Ein Märchen, das sich ohne grosse Mühe in unsere Zeit übersetzen lässt. So sagte Preußler selbst über sein Buch:

 

„Mein Krabat ist [...] meine Geschichte, die Geschichte meiner Generation und die aller jungen Leute, die mit der Macht und ihren Verlockungen in Berührung kommen und sich darin verstricken.“

 

Weiter schreibt er:

 

„Da gibt es nur einen Ausweg, den einzigen, den ich kenne: den festen Willen, sich davon freizumachen, die Hilfe von treuen Freunden – und jene Hilfe, die einem aus der kraft der Liebe zuwächst [...].“

 

Gerade vor ein paar Stunden noch, hatte ich ein langes Gespräch mit einer sehr guten Freundin, die gerade eine schwere Zeit durchmacht. Während des Gespräches sagte sie sinngemäss:

 

„Ich weiss, dass all die Dinge wie Ruhm und Erfolg, welche ich mir erarbeitet habe und zukünftig noch erarbeiten werde, null und nichtig sind gegenüber der menschlichen Nähe, die ich mit meinen Freunden und meinem näheren Umfeld austausche – Und ich weiss, wie mir diese menschliche Nähe Sinn für mein ganzes Leben gibt.“

 

Sicher kennt jeder von uns ähnliche Gedanken. Schnell liest es sich über solche Sätze hinweg, erscheinen sie uns doch oft als Binsenweisheiten. Doch in diesem Gespräch habe ich gemerkt, dass es nicht der Kopf war, der diese Worte sprach. Vielmehr war es eine Sehnsucht, die tief in uns schlummert. Eine Sehnsucht, die durch die Anästhesie des Alltags von uns fern gehalten wird. Eine Sehnsucht, die sich oft erst dann bemerkbar machen kann, wenn die Stille wie eine Glasglocke über uns liegt, uns von unserer Umwelt abschirmt und all die Gedanken zu Wort kommen lässt, die sich bisher gegen den Lärm des Alltags nicht behaupten konnten.

 

Was dies nun mit Krabat zu tun hat? Nun, Märchen sind zumindest für mich eine wunderbare Art diese Stille im Alltag zu spüren.

Sonntag, 11. Januar 2009

Maya oder Das Wunder des Lebens – Jostein Gaarder

Nachdem ich im Januar vor zwei Jahren mein erstes Gaarder Buch (Das Kartengeheimnis) gelesen habe, ist die Zeit des kalten Januars untrennbar mit langen Stunden lesend im Kaffe oder in der Badewanne und den Büchern Gaarders verbunden. So wollte ich auch diesen Januar, meiner Stimmung entsprechend, ein neues Buch von Gaarder geniessen und da ich fast alle Anderen bereits gelesen hatte, kaufte ich mir ‚Maya oder Das Wunder des Lebens’. Richtig erfreut war ich dann auch, als nach etwa 2/3 des Buches klar wurde, dass Das Kartengeheimnis und dieses Buch zusammen hängen. Aber nun zum Inhalt.

 

Frank Andersen ist Biologe und trifft auf seiner Forschungsreise durch Ozeanien auf der Fidji-Insel Taveuni in einem kleinen abgelegenen Resort auf eine Handvoll interessanter Leute, von denen wohl jeder ein anderes Erklärungsmuster für die Dinge im Leben bereit hält, die sich einem nicht auf konventionelle Weise erschliessen. Schnell entstehen Sympathien oder Antipathien, Gedanken werden ausgetauscht und während die Leserin neben streng wissenschaftlichen Sichtweisen auch religiöse oder mystische Einblicke erfährt, baut sich subtil aber unumgänglich ein Geheimnis vor allen beteiligten (zu denen ich hier auch die Leserin zähle) auf, denn wie ist es ansonsten möglich, dass die Flamenco-Tänzerin Ana einem Bild des Malers Goya von vor über 200 Jahren wie einem Ei dem anderen gleicht?

 

Soviel vorab, ‚Maya oder Das Wunder des Lebens’ ist ein typischer Gaarder Roman. Doch im Vergleich zu den meisten seiner anderen Bücher erfordert dieser Roman um so mehr, dass man sich auf ihn einlässt. So muss sich die Leserin auf den ersten 150 Seiten durch ein schier undurchdringbares  Gestrüpp von Paläontologie und Evolutionsbiologie kämpfen bevor sie an eine kleine Lichtung gelangt, die etwas Licht auf die Geschichte wirft und auf welcher ein kleiner roter Faden erkennbar ist. Auch die nächtlichen Gespräche zwischen Frank und dem Gecko Gordon sind nicht immer einfach zu lesen. Aber spätestens ab der Hälfte gewinnt das Buch enorm an Spannung und so zentrale Fragen wie zum Beispiel nach dem Sinn des Lebens bekommen Gaarder-typisch eine zentrale Rolle. Zitate wie die folgenden Beiden regen mich einfach vor dem Hintergrund von Gaarders Szenerie immer wieder zu interessanten Gedankengängen an:

 

„Der Zufall hätte es natürlich auch so einrichten können, dass auf diesem Planeten überhaupt kein Leben entstanden wäre. Dann könnten wir zweifellos erklären, dieser Planet habe keinen tieferen Zweck zu erfüllen als seine blosse Existenz. Aber wer hätte diese Erklärung liefern sollen?“

 

„Heute gehören wir zur Avantgarde, aber unser Ziel haben wir noch nicht erreicht. Erst in hundert oder tausend oder einer Milliarde Jahren wird sich zeigen, wohin wir unterwegs waren. Auf diese Weise ist das, was sich in ferner Zukunft zuträgt, gewissermassen die Ursache dessen, was sich hier und jetzt abspielt.“

 

Dieses letzte Zitat ist gewissermassen eine zentrale Stelle in diesem Buch, denn eine zentrale Sichtweise beruht auf der Tatsache, dass der Frank die Vergangenheit wie eine Kausalität sieht, die sich wie eine Stauwelle auf der Autobahn rückwärts bewegt, obwohl doch alle Autos nur nach vorne fahren. Zum Abschluss des Blogeintrages hier noch ein weiteres Zitat, welches mir auch sehr gut gefallen hat:

 

„Ich dachte darüber nach, in wie hohem Masse die Naturwissenschaft es sich zum Programm gemacht hat, absolut alles erklären zu wollen. Worin sich natürlich die Gefahr versteckt, allem gegenüber, das sich nicht erklären lässt, vollständig blind zu werden.“

 

Weitere Blogeinträge zu Büchern von Gaarder:

Das Kartengeheimnis, Das Orangenmädchen, Sofies Welt, Der Geschichtenverkäufer, Das Leben ist kurz, Durch den Spiegel in einem dunklen Wort, Hallo, ist da jemand?, Der seltene Vogel, Das Schloss der Frösche