Samstag, 26. Januar 2008

Die Morgenlandfahrt – Hermann Hesse

Durch die Feder des Violinenspielers H.H. erzählt uns Hesse in 'Die Morgenlandfahrt' die Geschichte einer grossen Bewegung und ihrer Reise, „wie sie seit den Tagen Hüons und des Rasenden Roland von Menschen nicht mehr gewagt worden war“. Zu Anfang erinnert die Reise sehr an einen modernen Kreuzzug der Erkenntnis und auch an Insignien der Freimaurerei wird nicht gespart.

Was jedoch als eine reale Reise in der Nachkriegszeit durch die Landschaften in Süd-Deutschland, der Schweiz und Italien beginnt, entpuppt sich zunehmend als eine Reise durch Zeit und Raum. Zeitweise hat der Leser das Gefühl heimlicher Beobachter eines Traumes zu sein. Eines Traumes, der ohne jeden Widerspruch, Figuren aus der Vergangenheit mit Menschen der Gegenwart verbindet und sie vereint im Streben nach Erkenntnis durch reale und imaginäre Landschaften ziehen lässt, welche zeitlos ineinander fliessen.

Wie bei vielen der Erzählungen Hesses, geht es hierbei immer wieder um das Finden der eigenen persönlichen Identität in einem überpersönlichen Ganzen, einer Gemeinschaft, die hier durch 'den Bund' symbolisiert wird und die stellvertretend für all die suchenden Menschen stehen mag.

"Und ich werde, soweit dies heute noch irgend möglich ist, dabei des ersten Grundsatzes unserer großen Zeit eingedenk sein: niemals zu rechnen, niemals mich durch Vernunftgründe verblüffen zu lassen, stets den Glauben stärker zu wissen als die sogenannte Wirklichkeit."

Zu Anfang versucht der Violinenspieler H.H. die Sinngebung durch die retrospektive Beschreibung der grossen Reise zu erlangen. Eine Beschreibung in welcher er seine Erfahrungen in einen grösseren, historischen Zusammenhang bettet, in welchem sich das Individuum aufgehoben und mit Sinn erfüllt fühlen kann.

"[...] zuerst schien mir, als unternähme ich da eine mühevolle Arbeit im Dienst einer edlen Sache, aber mehr und mehr sehe ich, daß ich mit meiner Reisebeschreibung nichts anderes anstrebe als Herr Lukas mit seinem Kriegsbuch: nämlich mir das Leben zu retten, indem ich ihm wieder einen Sinn gebe."

Dies erinnert zuweilen sehr an Max Frischs Roman 'Mein Name sei Gantenbein' in welchem steht: "Jeder Mensch erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er für sein Leben hält.".

Später jedoch kommt zu dieser Sinngebung eine weitere, für Hesse sehr typische Komponente hinzu. Der Übergang von der Kindheit ins Erwachsenenleben.

"Endlich vermochte er sich aber doch nicht länger zu verbergen und zu drücken, sein Leid wurde zu groß, und ihr wisset, sobald das Leid groß genug ist, geht es vorwärts. Bruder H. ist durch seine Prüfung bis in die Verzweiflung geführt worden, und Verzweiflung ist das Ergebnis jedes ernstlichen Versuches, das Menschenleben zu begreifen und zu rechtfertigen. Verzweiflung ist das Ergebnis eines jeden ernstlichen Versuches, das Leben mit der Tugend, mit der Gerechtigkeit, mit der Vernunft zu bestehen und seine Forderungen zu erfüllen. Diesseits dieser Verzweiflung leben die Kinder, jenseits die Erwachsenen. Angeklagter H. ist nicht mehr Kind und ist noch nicht ganz erwacht. Er ist noch mitten in der Verzweiflung."

Und dies ist vermutlich auch der Grund, warum sich Kinder wenig mit Transzendenz und Sinngebung beschäftigen. Sie beziehen ihren Sinn aus der Gegenwart und ihrem sozialen Umfeld. Für Kinder ist das Konzept der Zeit ohne grosse Bedeutung, denn schier unendlich ist die Zukunft, die sie vom Tode trennt. Wie aber wollen wir uns als Erwachsene jenseits dieser 'Verzweiflung' verhalten? Sollten wir uns wieder des kindlichen Konzeptes bemächtigen, sollten wir die Transzendenz oder gar die Wissenschaft bemühen? Es ist vermutlich die Antwort auf genau diese Frage, welche den eigentlichen Sinn unseres Lebens birgt.

Samstag, 19. Januar 2008

Als die Steine noch Vögel waren – Marjaleena Lembcke

Wieder mal ein ganz relaxter Samstag nach einer anstrengenden und teilweise hektischen Woche. Gestern Abend waren noch drei gute Freunde bei mir um meinen Geburtstag zu feiern. Wir haben zusammen Sushi gerollt, Wein getrunken, Musik gehört und gequatscht. Auch bin ich jetzt das Wochenende 'Katzensitter' für zwei ganz süsse Katzen ;-) und geniesse es sehr zusammen mit den Beiden zu sein. Das erinnert mich immer wieder an meine Kindheit.

Nachdem ich heute also ausgeschlafen und etwas aufgeräumt habe, hab ich mir ein weiteres Kinderbuch aus dem Regal genommen. 'Als die Steine noch Vögel waren' handelt eigentlich von dem kleinen Pekka obwohl die Geschichte aus dem Blickwinkel seiner Schwester geschrieben ist.

Pekka ist ein ganz besonderer Junge, denn er sieht die Welt um sich herum in einer ganz anderen Art und Weise. Er liebt die Menschen um ihn herum. Nicht nur seine Eltern und die Geschwister, sondern auch seine Schulkollegen, die Nachbarn oder die Besucher. Kurzum jeden, den Pekka trifft schliesst er in sein Herz und das ist fast schon ansteckend.

Zwar hatte es Pekka in der ersten Zeit, als er in die Schule kam nicht gerade einfach, denn Andersartigkeit erntet meistens Spott und Hohn. Doch Pekka lebt gut verankert in seiner Welt. Einer Welt in der die Steine einmal Vögel waren und wieder zu Vögeln werden würden. Und es ist diese Welt, die ihm den Glauben an die Liebe zu den Menschen und die Kraft dies gegen alle alltäglichen Widrigkeiten zu leben zu geben scheint.

Als ich so auf dem Sofa in meine flauschige Decke eingekuschelt lag, die Sonne das Wohnzimmer durchflutete und die beiden Katzen in meiner Kniekehle schnurrten, hatte ich öfters mal das Buch zur Seite gelegt, die Augen geschlossen und an meine eigene Kindheit gedacht. Für mich ist dies ein Buch, das einen dazu ermutigt seine eigenen Werte und Träume anzuschauen und sich wieder einmal einen Ruck zu geben, diese im Alltäglichen auch zu leben.

Mittwoch, 16. Januar 2008

Living in between

In ein paar Tagen habe ich Geburtstag und bei einem Abendessen haben zwei Freunde und ich beschlossen, dass wir unseren 107. Geburtstag gemeinsam zu dritt feiern ;-). Und heute war ich eben auf dem Weg zu Rolf’s, welches wir vermutlich für unsere Geburtstagsfeier am 1. März mieten werden. Auf dem Weg dorthin habe ich zufällig ‚Living in Between’ im Radio gehört. Das Lied hat mir gleich total gut gefallen und so möchte ich es auch mit meinen Bloglesern teilen.



Erst als ich danach im Internet nachgeschaut habe, hab ich gesehen, dass dieses Lied von Jaël Krebs ist, die mir mit Lunik schon damals durch das Lied Little Bit aufgefallen ist. Eine total sympathische Sängerin. Und für die, die genauso begeistert von ihr sind wie ich, hier noch ein Interview mit ihr ;-)

Sonntag, 13. Januar 2008

Wir alle für immer zusammen – Guus Kuijer

Was macht man an einem Tag an dem die Wolken so tief hängen, dass das Wetter trübe erscheint und man sowieso nicht fliegen gehen kann? Klar - Lesen ;-). Und so bin ich heute mit Mango, Jasmin-Tee, Bananenmilch und Musik auf der Couch gelegen und habe wieder mal ein Kinderbuch gelesen.

In 'Wir alle für immer zusammen' begleiten wir die elfjährige Polleke durch ihr Leben. Sie wohnt mit ihrer Mutter in einer Stadt in den Niederlanden, ist aber zusammen mit ihrer Freundin Caro die einzige Holländerin in ihrer Schulklasse. Ihr bester Freund ist Mimun, ein Marokkanerjunge aus ihrer Klasse. Zwei Jahre sind sie miteinander gegangen, aber jetzt sind sie nur noch freunde, denn Mimuns Eltern haben bereits ein Mädchen für Mimun ausgesucht. Dann gibt es da noch ihren geschiedenen Vater Spiek, der Dichter ist. Ein zugegebenerweise etwas besonderer Dichter, denn er schreibt nichts auf. Er behält seine Luft für die Luftschlösser die er baut für sich selbst. Und in all diesem Gewirr verliebt sich ihre eigene Mutter noch in ihren Lehrer - Wie Oberpeinlich! Nein, es ist wirklich nicht einfach eine elfjährige zu sein.

Das Buch ist wirklich klasse zu lesen und an vielen Stellen musste ich herzhaft lachen, an Anderen ein paar Minuten nachdenken. Der Titel passt auch irgendwie zum Buch, denn Polleke lebt in einer Gesellschaft, die von vielen Kulturen geprägt ist, die so verschieden voneinander sind und doch mehr Gemeinsamkeiten haben als man auf den ersten Blick vermuten mag. Doch irgendwie schafft Polleke es, alle Fäden zu den für sie wichtigen Dingen und Menschen zusammen zu halten.

Ein wirklich schönes Buch entweder zum Vorlesen für die Kids oder zum träumen für die 'Erwachsenen' unter uns ;-)

Atonement – Joe Wright

Heute Abend bin ich mit Freunden ins Kino gegangen. Der Film, den wir uns eigentlich ausgesucht hatten war allerdings schon ausverkauft und so sahen wir uns nach einem neuen Film um. Ich war ganz erstaunt, als ich erfuhr, dass Atonement als Film erschienen ist, denn über die Weihnachtsferien hatte ich gerade das Buch von Ian McEwan gelesen und so war ich natürlich sehr gespannt auf den Film.

Es ist nicht einfach ein solches Buch zu verfilmen. Die vielen epischen Beschreibungen, die tiefen Gedanken der Charaktere, die sich wie tragende Wurzeln in die eigentliche Handlung verflechten und so die Gefühle beim Lesen absolut real werden lassen. Und doch ist der Film ziemlich gut gelungen. Hätte ich das Buch vorher nicht gelesen, so hätte mich der Film sicherlich sehr beeindruckt.

Doch die eigene Phantasie ist immer noch die stärkste Inspiration. All die verschiedenen kleinen Szenen, die teils kleinen und unmerklichen Bewegungen der Charaktere gehen beim Kinofilm fast gänzlich verloren. Zum Beispiel die Gedanken als Cee in der Bibliothek langsam zurückweicht und was dies für sie bedeutet, die drückende Hitze des Sommers von 1935, die tiefe Zerrissenheit Brionys, all das kommt höchstens Ansatzweise im Film durch.

Und dennoch war es ein wirklich guter Film. Aber ich würde jedem raten erst das Buch zu lesen und dann den Film zu schauen, denn so erlebt man all die verschiedenen Szenen viel intensiver, denn man kennt die geheimsten Gedanken der Charaktere. Gedanken, die man als normaler Zuschauer nicht erahnt. Das macht den Film noch einiges eindrücklicher, als er ohnehin schon ist.

Samstag, 12. Januar 2008

Schere, Stein, Papier – Patricia MacLachlan

Der heutige Tag tut mir einfach richtig gut. Nachdem ich die letzten drei Tage lediglich fünf Stunden zum Schlafen gekommen bin, habe ich ausgeschlafen und mich danach mit frischen Mangos, Papaya, Maracuja, einem Cappuccino und eben diesem Buch in die Badewanne gelegt, gelesen und mich total dabei entspannt.

Gerade gestern habe ich wieder eine neue Ladung Bücher von Amazon bekommen und eben eines unter den vielen Kinderbüchern, die ich bestellt habe, war 'Schere, Stein, Papier'. Eigentlich ist dies in meinen Augen kein wirkliches Kinderbuch denn es braucht einiges an Lebenserfahrung um das was dort auf eine wunderbar bildliche Weise beschrieben wird zu verstehen. Doch hätte ich Kinder, so würde ich es ihnen dennoch vorlesen, denn man muss nicht immer alles wirklich verstehen um es zu fühlen. Oft reicht es sich dem einfach hinzugeben und so hat mir folgende Stelle aus dem Buch besonders gut gefallen:

"Frau Minifred hat einmal gesagt, dass das Leben aus Kreisen besteht. »Das Leben ist keine gerade Linie«, sagte sie. »Und manchmal kreiseln wir zurück in die Vergangenheit. Aber wir sind dann nicht mehr dieselben. Wir haben uns für immer geändert.«
Ich habe damals nicht verstanden, was sie meinte. [...] Aber ich mochte den Klang ihrer Worte und ich weiß noch, wie ich sie mir für später aufgehoben habe."


Das ist ein ganz ähnlicher Gedanke wie in Anatomie eines Gedankens in dem allein die Ästhetik und der Klang der Worte einen dazu führen können neuen Sinn in ihnen zu finden.

Das Buch selber ist aus der Perspektive der elfjährigen Larkin, die mit ihren Eltern und ihrer Grossmutter auf einer Insel lebt geschrieben. Neben ihrer Familie gibt es auch noch ihren treuen Freund Lalo, mit dem sie einige Geheimnise teilt und die gegenseitig gut aufeinander aufpassen. Doch etwas scheint ihnen zu fehlen. Etwas, was weder Larkin noch ihre Grossmutter benennen können - oder will ihre Grossmutter es nicht benennen um sie zu schützen? Etwas unausgesprochenes und dadurch kaum greifbares, das doch das Leben der ganzen Familie begleitet.

Doch alles ändert sich an dem Tag, an dem die letzten Touristen die Insel verlassen haben. Als Larkin mit ihrer Familie nach Hause kommt, finden Sie sie einjährige Sophie in einem kleinen Korb vor ihrer Haustüre; zusammen mit einem Brief.

'Schere, Stein, Papier' ist eine wunderbare Geschichte vom Lieben und Loslassen. Von der Angst und dem Schmerz jemanden zu lieben obwohl man ganz genau weiss, dass man diesen Menschen eines Tages, wenn er fest mit dem eigenen Herzen verschmolzen ist, wieder loslassen muss. Und es ist auch ein Buch, welches klar werden lässt, dass Liebe nicht wirklich vergeht und dass sie weiter in uns wirkt, obwohl wir das selbst oft nicht merken. Ein Buch, welches mich wirklich sehr berührt hat.

Montag, 7. Januar 2008

Plötzlich tief im Wald – Amos Oz

Nun ist es so weit, die Ferien sind um und das Geschäft hat mich heute auch schon wieder eingeholt. Aber meine Entspannung von den Ferien scheint noch zu wirken und so bin ich heute nach 15h heim gekommen und hatte noch total viel Energie. So hab ich mir also ne Mango geschält, einen Jasmin-Tee in meiner neuen Gusseisernen Chinesischen Teekanne aufgebrüht (an der Kanne freue ich mich grad total), mich aufs Sofa gelegt und noch ein kleines Märchen gelesen. In letzter Zeit lese ich gerne Kinderbücher oder Märchen. Ich habe mir auch schon wieder einige bestellt. So werden wohl in nächster Zeit mehrere davon auf meinem Blog zu finden sein ;-).

In 'Plötzlich tief im Wald' erzählt uns Amos Oz von einem fern abgelegenen Dorf in welchem nur Menschen wohnen. Das hört sich aufs Erste nicht sehr ungewöhnlich an. Doch was heisst das, 'nur Menschen'? Nun, es leben keinerlei Tiere dort. Weder im Dorf noch in den Wäldern drum herum. Die Kinder aus dem Dorf kennen Tiere nur aus den gemalten Bildern und den Erzählungen ihrer Lehrerin. Auch leugnen die meisten Eltern die Existenz von Tieren und doch kann man sie ganz selten dabei erwischen, wie sie einen Tierlaut nachahmen. Doch werden sie dabei entdeckt befehlen sie den Kindern alles ganz schnell wieder zu vergessen.

Maja und Mati leben in diesem Dorf und gehen in die gleiche Klasse. Sie sind kein Paar, da sind sie sich sicher - obwohl Mati sich schon ein paar mal vorgestellt hat, wie es denn wäre Mayas Hand zu halten oder ihr einen Kuss zu geben. Nein, ein Paar sind sie aber wirklich nicht, es verbindet sie etwas viel stärkeres. Es verbindet sie ein grosses Geheimnis und eines Tages sind Maya und Mati nicht mehr bereit sich den Normen ihres Dorfes unterzuordnen und ziehen los in den dunklen Wald um ihrem Geheimnis auf die Spur zu kommen.

Neben dem schönen und wirklich farbenfroh und bildlich geschriebenen Märchen erzählt uns Oz warum der Spott der Spötter vor dem Alleinsein schützt, warum wir uns nicht an dem freuen, was wir haben, sondern an dem, was die Anderen uns voraushaben und noch ein paar andere Dinge, die wir Erwachsenen eigentlich schon lange wissen und so oft nicht danach handeln.

Samstag, 5. Januar 2008

Die Kunst des Liebens – Erich Fromm

Heute habe ich 'Die Kunst des Liebens' von Fromm gelesen. In Auszügen kannte ich bereits einige seiner Ideen aus anderen Büchern, aber direkt hatte ich ihn noch nie gelesen. Mir hat das Buch sehr gut gefallen und ich kann auch die Kritik, die diesem Werk oft entgegengebracht wird nicht richtig verstehen. Natürlich finde ich in dem Buch einige Dinge, die ich entweder nur teilweise oder überhaupt nicht für mich selbst stehen lassen kann (Beispielsweise seine Einstellung zur Homosexualität). Doch Fromm schreibt selbst im Kapitel 'Praxis der Liebe', dass es Vernunft, Objektivität und Glaube benötigt und in diesem Sinne sollte jeder Leser seinen eigenen Glauben, seine eigene Vernunft und Objektivität walten lassen um das anzunehmen, was dem eigenen Glauben entspricht und sich vom Rest anregen lassen seine Einstellung zu hinterfragen. Nicht um diese einfach durch die eines Anderen zu ersetzen, sondern um mehr über sich selbst zu erfahren. Man liest ja schliesslich ein solches Buch nicht um sich in allen Aspekten des Lebens bestätigt zu fühlen, sondern um Anregungen zu erhalten, die einem solch transzendente Themen wie das eigene Ego oder die Kunst der Liebe näher bringen.

Gegliedert ist das Buch in zwei Abschnitte: 'Die Theorie der Liebe' und 'Die Praxis der Liebe'. Im ersten Teil betrachtet Fromm die Kunst der Liebe aus anthropologischen, epistemologischen und psychologischen Gesichtspunkten und analysiert die Gesetzmässigkeiten (Beispielsweise Liebe als Möglichkeit der Transzendenz, Liebe als gesellschaftliche Grundlage, etc.) und Objekte (Nächstenliebe, Mütterliche Liebe, Erotische Liebe, Selbstliebe, Liebe zu Gott) der Liebe. Hierbei wird an manchen Stellen ersichtlich, dass dieses Buch in seiner ersten Auflage bereits in den 50er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts geschrieben wurde, denn stellenweise lässt sich klar der Zeitgeist in der Argumentation erkennen. Doch stört diese Argumentation überhaupt nicht auf der Suche nach der tieferen Natur der Liebe, denn wir betrachten diese lediglich aus einer anderen Perspektive da man getrost davon ausgehen darf, dass sich die Natur der Liebe in den letzten 60 Jahren (im Vergleich zum Zeitraum der menschlichen Existenz) nicht auch nur im geringsten geändert hat ;-).

Im zweiten Abschnitt versucht Fromm eine etwas handlungsorientiertere Sicht auf die Liebe zu erschliessen. Hierbei handelt es sich natürlich in keinster Weise um eine Anleitung (welche wohl auch hochgradig unseriös wäre). Vielmehr versucht er die im System der Liebe vorkommenden Entitäten ( (liebevolle-)Disziplin, Konzentration, Geduld, Wichtigkeit, Übung, etc.) zu beleuchten und in Beziehung zueinander zu setzen. Ähnlich der systemischen Theorie bleibt es dem Leser selbst überlassen wie er/sie diese Verbindungen gewichten will. Auf den ersten Blick mögen diese Entitäten sehr sachlich und nüchtern erscheinen, doch ich glaube Fromm hat hier wirklich einen wichtigen Punkt getroffen, denn heute ist es in der Tat oft so, dass die Liebe als ein Phänomen gesehen wird, welches ereilt wenn wir nur den RICHTIGEN Partner finden und welches keinerlei Arbeit und Anstrengung benötigt.

In der Tat hat mir das Buch wunderbare Anregungen gegeben. Anregungen, die mich einerseits dazu gebracht haben mich aus anderen Gesichtspunkten mit Themen zu beschäftigen, die mich schon seit Jahren interessieren. Aber auch Anregungen, die mir Energie gegeben haben einmal mehr den Anlauf zu machen um Dinge umzusetzen, an die ich aus tiefster Überzeugung glaube, die aber in unserer westlichen Gesellschaft sehr schwer umsetzbar sind. Aber schliesslich geht es mir ja nicht darum unser System zu ändern, sondern so zu handeln, dass ich mich selbst als integer und ehrlich zu mir selbst fühle.

Freitag, 4. Januar 2008

Abbitte - Ian McEwan

Vor einer Viertelstunde habe ich die letzte Seite des Buches umgeblättert und mich ins Sofa zurücksinken lassen. Ich habe meine Tränen aus den Augen gewischt und gedankenverloren an die Decke gestarrt. Es ist ein schwer greifbares Gefühl, welches sich in mir breit machte. Wie Wasser rann es durch die Finger sobald ich es greifen wollte und doch gehe ich völlig in ihm auf.

Jetzt, fast zwanzig Minuten später macht sich meine Umwelt wieder bemerkbar. Der Lüfter des Computers surrt eintönig vor sich hin, hier und da gibt Skype einen Laut von sich um mich wissen zu lassen, dass sich eben jemand eingeloggt hat und immer noch bin ich dem Gefühl, welches ich am Ende des Buches hatte noch nicht habhaft geworden. Langsam zieht es sich, wie das Wasser des Ozeans bei Ebbe zurück und gibt die Realität frei, der ich die letzten Stunden entflohen war. Lediglich Mendelssohns Andante con moto im Hintergrund hält mich noch etwas zurück und lässt es mich wenigstens noch etwas geniessen was ich schon nicht beschreiben kann.

Abbitte ist eines der besten Bücher welche ich von Ian McEwan gelesen habe, ob wohl ich stellenweise gar nicht dieser Meinung war. Die ersten hundert Seiten des Romans sind relativ langatmig und beschreiben in epischen Details einen erdrückend heissen Sommertag des Jahres 1935 im Leben der Familie Tallis auf ihrem Landsitz im Süden Englands. Obwohl McEwan aus den verschiedenen Perspektiven der Beteiligten erzählt - was Anfangsweise etwas gewöhnungsbedürftig ist, dann aber für ungeheure Dynamik sorgt, da sich diese Erzählungen zum Teil überlappen und somit völlig unterschiedliche Sichtweisen auf die gleichen Ereignisse freigeben - ist es in diesem ersten Teil hauptsächlich Britony, die dreizehnjährige Tochter der Tallis, die uns Einblick in die verschiedenen Charaktere gibt. Es ist auch Britony, ein kindlich einfältiges Mädchen mit einem starken Drang nach Anerkennung als Schriftstellerin (oder nach der Liebe ihrer Eltern), welche Zeugin eines eigenartigen Geschehens wird, welches sie daraufhin die Arena der Erwachsenen betreten lassen sollte. Eine Arena, deren Realität, Gefühle, Leidenschaft und Sprache sie lediglich aus ihrer kindlichen Natur betrachten kann und somit eine Katastrophe heraufbeschwört, die sie und ihre Familie über die kommenden sechs Dekaden überschatten sollte.

Abbitte ist ein Buch, welches uns von den friedlichen und malerischen Vorkriegstagen mitten hinein in die Wirren und Grausamkeiten des Krieges, über die Nachkriegsjahre, bis hin in unsere heutige Zeit führt und all diese Zeiten durch einen roten Faden verbindet, der erst ganz am Ende des Buches wirklich sichtbar wird. Stellenwiese erscheinen einem die über 500 Seiten des Buches sehr langatmig doch wenn ich dem roten Faden entlang, rückblickend, den Roman betrachte, so war jede dieser Seiten notwendig um die Stimmung zu erzeugen, die letztendlich dieses Gefühl in mir auslöste, welches mich auf den letzten Seiten des Romans umgab.

In diesem Zusammenhang ist mir auch ein Zitat von Kundera eingefallen,

„Glauben Sie, die Vergangenheit sei, nur weil sie schon geschehen ist, fertig und unabänderlich? Ach nein, ihr Kleid ist aus schillerndem Taft geschneidert, und jedes Mal, wenn wir uns nach ihr umdrehen, sehen wir sie in einer anderen Farbe.“

denn die Verschachtelung und Abstraktion auf die schriftstellerische Ebene, welche uns ganz am Ende des Romans einholt, lässt den Roman rückblickend in ganz anderem Licht erscheinen. Auch wenn stellenweise nicht ganz einfach, so ist Abbitte doch ein wirklich gutes Buch, das man unbedingt lesen sollte.

Donnerstag, 3. Januar 2008

Sumchi – Amos Oz

Heute habe ich mich wieder in die Welt der Kinder begeben. Nachdem ich richtig ausgeschlafen und meine eMails beantwortet habe, hab ich wieder mal die Wanne einlaufen lassen und es mir mit Cappuccino, Vanillekerzen und Musik dort bequem gemacht und bin Sumchi, einem kleinen elfjährigen Jungen, der in Jerusalem lebt, etwas durch sein Leben gefolgt.

Die Geschichte spielt 1947, also ein Jahr vor der Staatsgründung, in Jerusalem. Dort geht Sumchi auch zur Schule und von der Schule her kennt Sumchi auch Esthi, in die er verliebt ist. Doch obwohl er diese Liebe stark in sich fühlt, so ist die Liebe für einen Elfjährigen eine verzwickte Sache. Denn wird man dabei entdeckt, wie man sie kundtut oder zu ihr steht, so ist man sich des Spottes der Klasse sicher, ohne jedoch vorab zu wissen, dass das Mädchen, in welches man verliebt ist, die Liebe erwidern würde. Man muss also doppelt mutig sein.

Und das ist Sumchi nicht. Deswegen neckt er Esthi auch oft, zieht ihr an ihren Zöpfen und klebt auch des Öfteren einen Kaugummi an ihre Sitzlehne wenn sie ihren weissen Pullover an hat welchen Sumchi so gern hat. Im Nachhinein versteht er sich selbst nicht, denn eigentlich liebt er sie und doch kann er sich mit der Realität konfrontiert nur so verhalten.

Doch neben dieser realen Welt, da gibt es noch die Welt die Sumchi in seinen Phantasien entstehen lässt. Ferne Länder Expeditionen nach Afrika in Gebiete, die noch nie einen weissen Menschen gesehen haben. Gebiete, die sich vortrefflich dazu eignen würden mit Esthi aus dem Alltag auszubrechen. Doch sein Tagebuch, welches als einziger diese Welten mit ihm teilt verschwindet eines Tages (und taucht an unerwarteter Stelle wieder auf).

Als Sumchi eines Tages von seinem Onkel ein Fahrrad geschenkt bekommt, sieht er sich seinen Traum ein bedeutendes Stück Näher. Ein Fahrrad, welches ihn in Richtung Süden durch Katamon und Talpiot, durch Bethlehem, Hebron und Beer-Schewa, durch die Wüste Negev und die Wüste Sinai bis nach Sambesi im Herzen Afrikas tragen würde. Doch aus einer Begeisterung hinaus tauscht er sein Fahrrad gegen eine Spielzeugeisenbahn, die er in Folge (gezwungenermassen) gegen einen Hund tauscht, der ihm davonrennt und er daraufhin einen Bleistiftspitzer findet. Ein simpler Bleistiftspitzer, der ihm Esthis Herz erschliesst.

Mir hat die Geschichte sehr gut gefallen. Es ist eine Geschichte, welche in Anlehnung an das Märchen ‚Hans im Glück’ über Veränderungen im Leben berichtet. Veränderungen, die nicht planbar sind, Veränderungen, die einfach geschehen und doch ihren Sinn haben. Sensibel und aus den Augen eines Kindes beschreibt Oz Dinge, die wir alle aus unserer Kindheit kennen. Ich habe mich beim Lesen oft in meine Kindheit zurückversetzt gefühlt und oft ist auch mein altes Schulhaus in Gedanken aufgetaucht, denn auch in meinem Leben gab es damals eine 'Esthi' - nur hiess sie Astrid. Doch leider habe ich nie einen Bleistiftspitzer gefunden und so blieb es für mich lediglich beim Ziehen an ihren Haaren.

Mittwoch, 2. Januar 2008

Kinderseele – Hermann Hesse

Kinderseele ist eine kleine Erzählung, die 1918 entstanden ist und beschreibt zwei Tage im Leben eines elfjährigen Jungen. Wenngleich nie direkt erwähnt wir, dass es sich hierbei um Hesse selbst handelt, so sind die Parallelen zu seinem Leben frappant genug um anzunehmen, dass es die Erzählung autobiographischer Natur ist.

Erstaunlich finde ich die Präzision mit der Hesse die Gefühle des kleinen Jungen beschreibt. Als Hesse 1918 die Erzählung schrieb war er bereits 41 Jahre alt. Die Ereignisse lagen also bereits 30 Jahre zurück und dennoch schafft er es aus den Augen eines Kindes zu erzählen.

Zentrales Thema dieses Textes sind, wie so oft in Hesses Werken, die Gewissenskonflikte des diesmal 11-Jährigen Protagonisten. Zwischen der guten und christlichen Welt in welcher er aufwächst und seinen frevelnden Gedanken fühlt er sich zerrissen und nicht im Stande seinen Platz in der Welt zu finden.

"Gab es das in Gottes Welt, daß ein Mensch, ein Knabe, gleichzeitig alle hohen und alle bösen Triebe in sich hatte und Leiden und verzweifeln mußte, nur so als eine unglückliche und komische Figur, zum Vergnügen des zuschauenden Gottes?"

Zwar liegt diese Kindheit für den heutigen Leser sehr weit zurück, so dass viele Dinge, die damals als rebellisch und gotteslästernd angesehen wurden heute Gang und Gebe sind und somit diese Gefühle der Zerrissenheit nicht mehr erklären mögen. Doch der Wandel der Zeit mag die damaligen Ursachen beseitigt haben, die eigentliche Zerrissenheit findet man heute jedoch genau so wie vor hundert Jahren und jeder Leser wird sich wohl an andere Gründe aus seiner Kindheit erinnern. Doch vermutlich wird sich jeder ebenfalls an dieses Gefühl erinnern, welches Hesse in Kinderseele beschreibt.

Ich würde Kinderseele nicht unbedingt als Einstieg in Hesses Werke empfehlen, denn schon alleine aufgrund des geringen Umfangs (80 Seiten) sind viele der Charaktere und Begebenheiten nur skizziert und verlieren dadurch auch etwas an Kraft. Doch wenn man Klein und Wagner, Demian und den Steppenwolf gelesen hat, so erkennt man recht deutlich die Parallelen und gewinnt durch diese Erzählung etwas mehr Einblick in das Entstehen des grundlegenden Konfliktes, den Hesse wohl sein ganzes Leben mit sich selbst austrug.

Dienstag, 1. Januar 2008

Sonnenaufgang im neuen Jahr

Eigentlich hatten wir geplant das neue Jahr lediglich tanzender Weise zu empfangen. Aber als wir um Mitternacht am Bürkliplatz standen und ich in den Himmel geschaut habe, ist mir aufgefallen, dass die Sterne wunderschön zu sehen waren. Dort ist dann der Entschluss in mir gereift schon früher vom Clubbing heim zu kommen und wie letztes Jahr das neue Jahr in der freien Natur zu geniessen.



Bis um vier waren wir dann im Supermarket zum Tanzen. Ich gehe zwar nicht mehr ganz so oft Clubbing wie früher, aber es macht doch immer wieder Spass die Augen zu schliessen, die Lichtreflexe durch die geschlossenen Augenlieder zu beobachten und langsam alles um sich herum zu vergessen, sich zur Musik zu bewegen und dabei langsam abzuheben. Auf jeden Fall haben wir beschlossen gleich am nächsten Donnerstag wieder ins Superyellow zu gehen ;-).

Der Weg nach Hause war kalt und lang, denn der letzte Bus ist mehr oder weniger vor unserer Nase abgefahren und Taxis waren kaum zu finden. Nach ca. 45min hatten wir dann aber doch Glück und so war ich kurz nach fünf daheim. Das AIP hat den Sonnenaufgang für ca. 07:30 vorhergesagt. Also blieben mir noch eine Stunde um eine Thermoskanne Tee zu machen und die anderen Dinge wie Lampe, Kamera, Stativ, etc. einzupacken.

Um 06:20 parkierte ich dann am Fusse des Üetlibergs und machte mich auf den Weg. Im Gegensatz zu letztem Jahr, war der Weg diesmal verschneit und stellenweise auch vereist, so dass es langsamer voran ging als erwartet. Doch das knirschen des Schnees, der unter den Schuhen zusammengedrückt wurde und die teilweise romantisch gespenstische Stimmung mitten im Wald als sich ein Käuzchen bemerkbar machte und der Mond auf einer kleinen Lichtung durch die Bäume schien war aller Mühe wert. Zwar war am Fusse des Üetlibergs wieder Nebel aufgezogen, so dass ich schon befürchtet hatte, dass ich dieses Jahr wieder keinen Sonnenaufgang sehen würde, doch auf halbem Wege lichtete sich der Nebel und gab die Sicht auf einen wunderschönen Sternenhimmel frei.

Am Fusse des Aussichtturms war es fast noch windstill. Doch oben auf der Plattform wehte ein eisiger Wind. Bei weitem nicht so stark, wie das letztes Jahr der Fall war, doch war es dieses Jahr einiges kälter. Das erste Bild schoss ich um 07:10. Dort war bereits der Horizont leicht durch die aufgehende Sonne sichtbar. Zürich selber lag noch in einem Meer von Wolken, welche durch die Lichter der Stadt leicht zu glühen schien.

Immer klarer zeichnete sich der Horizont mit dem wunderschönen Bergpanorama ab und auch die ersten Flieger kamen vom Westen her und reihten sich langsam in den Südanflug ein. Immer deutlicher war nun auch die Umgebung des Üetliberg zu sehen. Abgerissene Wolkenfetzen zogen wie Schlieren durch die Waldstücke um den Berg herum. Die Landschaft war wie in dünne Zuckerwatte gehüllt.

Mit zunehmend aufgehender Sonne wandelte sich die Farbe der Welt von dunklem Grau in ein leichtes Gold. Und als die ersten direkten Strahlen der Sonne über die Bergkette traten und mich auf dem Aussichtsturm trafen, hat auch für mich das neue Jahr angefangen. Mittlerweile war ich nun etwas mehr als eine Stunde auf dem Aussichtsturm und meine Hände waren so kalt, dass ich den Auslöseknopf der Kamera kaum mehr betätigen konnte. Doch schon die ersten Strahlen brachten eine unglaubliche Wärme mit sich und liessen mich schlussendlich noch weitere 20 Minuten das Schauspiel geniessen.

Wenn ich nun den Jahresbeginn des letzten Jahres mit dem diesjährigen vergleiche, so war der heutige weitaus weniger dramatisch und gewaltig. Keine Orkanböen, keine Regentropfen, die um die Aussichtsplattform gepeitscht sind und kein von Wolken verhüllter Horizont. Vielmehr war es ein wundervoller Sonnenaufgang in mitten einer in Zuckerwatte getränkten Märchenlandschaft und ich komme nicht umher, die Parallelen in meinem eigenen Leben zu sehen, denn so wie sich das neue Jahr heute angekündigt hat, so blicke ich ihm auch entgegen und freue mich auf das was kommen wird.