Montag, 10. Dezember 2007

Der Steppenwolf – Hermann Hesse

Heute habe ich mir mal wieder einen total angenehmen Lesetag gemacht. Nachdem ich so richtig ausgeschlafen habe, hab ich erstmal meine eMails beantwortet, etwas zu Mittag gekocht und dann so langsam das Wasser einlaufen lassen. Mit einer Flasche Prosecco, Vanillekerzen, Kokos-Badezusatz, ein paar Keksen und meinem MacBook und iTunes habe ich es mir dann im Bad bequem gemacht und bin über drei Stunden drin liegen geblieben und habe den Steppenwolf fertig gelesen, den ich gestern Nacht noch im Starbucks angefangen habe.

Den Steppenwolf hatte ich schon vor ein paar Jahren mal angefangen zu lesen, aber irgendwie hat er mich nicht angesprochen und so habe ich ihn damals wieder weg gelegt. Ich keine Ahnung, warum er mich nicht angesprochen hat, denn heute finde ich ihn einfach genial ;-). Zwar ist der erste Teil bis zum 'Tractat vom Steppenwolf' etwas langatmig, aber ab dort habe ich angefangen das Buch zu verschlingen.

Harry Haller ist ein Einzelgänger, ein Sonderling, der sich selbst abseits der Gesellschaft bewegt, da er sich mit dieser unvereinbar sieht. In ihm wirken viele gegensätzlichen Kräfte und so konstruiert er sein eigenes Bild des Steppenwolfes (Hier kommt der Satz, den Max Frisch in 'Mein Name sei Gantenbein' geschrieben hat so richtig zur Geltung: "Jeder Mensch erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er für sein Leben hält."). Einem Menschen, in dem ganz im Sinne eines dualistischen Weltbildes das Tier schlummert.

Als Harry eines Abends wieder einmal rastlos durch die Nassen Strassen der Stadt streift, trifft er auf Pablo, der ihm fast beiläufig ein kleines Buch überreicht - Das 'Traktat vom Steppenwolf'. Und als Harry beginnt das Traktat zu lesen entdeckt er, dass es sich dabei um sein eigenes Leben handelt. Im Traktat wird Anfangs genau beschrieben, wie Harry sich fühlt und was in ihm vorgeht. Doch gegen Ende des Traktats geht das Geschriebene über sein jetziges Leben hinaus und wirft seine Schatten weit in die Zukunft. Schon jetzt lässt das Traktat den Leser erahnen was auf Harry in der Zukunft warten mag. Dieser Teil des Buches mag vermutlich auch Jostein Gaarder als Anregung für 'das Kartengeheimnis' gedient haben. Ich fühlte mich einige Male an dieses tolle Buch erinnert.

Doch wirklich gepackt hat mich das Buch als Hermine ins Bild getreten ist. Haller trifft Hermine in einem Wirtshaus und beide erkennen sofort den Leidensgenossen (wenn auch aus ganz unterschiedlichen Perspektiven gesehen) ineinander. Durch Hermine lernt Harry Haller sein bisheriges Leben zu hinterfragen und er lässt sich bereitwillig Alternativen dazu zeigen. Mich hat die Figur der Hermine total beeindruckt und ein paar mal habe ich mich dabei entdeckt, dass ich neben dem Lesen abgeschweift bin und überlegt habe, wie wohl Hermine in meinem Leben wirken würde.

"Das Steppenwolftraktat und Hermine hatten recht mit ihrer Lehre von den tausend Seelen, täglich zeigten sie neben all den alten auch noch einige neue Seelen in mir, machten Ansprüche, machten Lärm, und ich sah nun deutlich wie ein Bild von mir den Wahn meiner bisherigen Persönlichkeit. Die paar Fähigkeiten und Übungen, in denen ich zufällig stark war, hatte ich allein gelten lassen und hatte das Bild eines Harry gemalt und das Leben eines Harry gelebt, der eigentlich nichts war als ein sehr zart ausgebildeter Spezialist für Dichtung, Musik und Philosophie - den ganzen Rest meiner Person, das ganze übrige Chaos von Fähigkeiten, Trieben, Strebungen hatte ich als lästig empfunden und mit dem Namen Steppenwolf belegt."

Durch Hermine lernt Haller auch Pablo, den Saxophonspieler kennen, der ihm zuvor anonymerweise das Traktat überreicht hat. Pablo ist es auch, der die Beiden nach einem Maskenball in sein magisches Theater (hierbei handelt es sich um Drogen) einlädt, in welchem Harry sich die Möglichkeit bietet, sein bisheriges Leben neu zu durchleben. In einer wuchtigen und wortgewaltigen Darstellung beschreibt Hesse eindrücklich diesen Zustand zwischen Traum, Halluzination und Wahrheit und gibt Haller die Möglichkeit all seine neuen Erfahrungen und Einsichten in sein bisheriges Leben einzubauen und damit all seinen anderen Seiten, die er zuvor als verabscheuenswert abgetan hatte gerecht zu werden.

Oftmals habe ich die Angewohnheit, dass ich meine Gedanken und Gefühle beim Lesen eines Buches direkt ins Buch schreibe und diese Seite sodann mit einem Eselsohr kenntlich mache. Dieses Buch wimmelt nun nur so von Eselsohren. So viele Stellen haben mich an mich selbst erinnert, so viele Sätze haben mich zum denken angeregt. Doch so richtig fasziniert hat mich die Figur der Hermine! Aber es ist nicht nur der Inhalt, der mich fasziniert hat. Es ist ebenso die Sprache Hesses. Wortgewaltig, fast Opulent und unheimlich eindrücklich schildert er im zweiten Teil des Buches die Reise in Hallers Sehnsucht und verborgene Welt. Wer dieses Buch noch nicht gelesen hat sollte dies ganz schnell nachholen!!!

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