Mittwoch, 2. Januar 2008

Kinderseele – Hermann Hesse

Kinderseele ist eine kleine Erzählung, die 1918 entstanden ist und beschreibt zwei Tage im Leben eines elfjährigen Jungen. Wenngleich nie direkt erwähnt wir, dass es sich hierbei um Hesse selbst handelt, so sind die Parallelen zu seinem Leben frappant genug um anzunehmen, dass es die Erzählung autobiographischer Natur ist.

Erstaunlich finde ich die Präzision mit der Hesse die Gefühle des kleinen Jungen beschreibt. Als Hesse 1918 die Erzählung schrieb war er bereits 41 Jahre alt. Die Ereignisse lagen also bereits 30 Jahre zurück und dennoch schafft er es aus den Augen eines Kindes zu erzählen.

Zentrales Thema dieses Textes sind, wie so oft in Hesses Werken, die Gewissenskonflikte des diesmal 11-Jährigen Protagonisten. Zwischen der guten und christlichen Welt in welcher er aufwächst und seinen frevelnden Gedanken fühlt er sich zerrissen und nicht im Stande seinen Platz in der Welt zu finden.

"Gab es das in Gottes Welt, daß ein Mensch, ein Knabe, gleichzeitig alle hohen und alle bösen Triebe in sich hatte und Leiden und verzweifeln mußte, nur so als eine unglückliche und komische Figur, zum Vergnügen des zuschauenden Gottes?"

Zwar liegt diese Kindheit für den heutigen Leser sehr weit zurück, so dass viele Dinge, die damals als rebellisch und gotteslästernd angesehen wurden heute Gang und Gebe sind und somit diese Gefühle der Zerrissenheit nicht mehr erklären mögen. Doch der Wandel der Zeit mag die damaligen Ursachen beseitigt haben, die eigentliche Zerrissenheit findet man heute jedoch genau so wie vor hundert Jahren und jeder Leser wird sich wohl an andere Gründe aus seiner Kindheit erinnern. Doch vermutlich wird sich jeder ebenfalls an dieses Gefühl erinnern, welches Hesse in Kinderseele beschreibt.

Ich würde Kinderseele nicht unbedingt als Einstieg in Hesses Werke empfehlen, denn schon alleine aufgrund des geringen Umfangs (80 Seiten) sind viele der Charaktere und Begebenheiten nur skizziert und verlieren dadurch auch etwas an Kraft. Doch wenn man Klein und Wagner, Demian und den Steppenwolf gelesen hat, so erkennt man recht deutlich die Parallelen und gewinnt durch diese Erzählung etwas mehr Einblick in das Entstehen des grundlegenden Konfliktes, den Hesse wohl sein ganzes Leben mit sich selbst austrug.

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