Samstag, 5. Januar 2008

Die Kunst des Liebens – Erich Fromm

Heute habe ich 'Die Kunst des Liebens' von Fromm gelesen. In Auszügen kannte ich bereits einige seiner Ideen aus anderen Büchern, aber direkt hatte ich ihn noch nie gelesen. Mir hat das Buch sehr gut gefallen und ich kann auch die Kritik, die diesem Werk oft entgegengebracht wird nicht richtig verstehen. Natürlich finde ich in dem Buch einige Dinge, die ich entweder nur teilweise oder überhaupt nicht für mich selbst stehen lassen kann (Beispielsweise seine Einstellung zur Homosexualität). Doch Fromm schreibt selbst im Kapitel 'Praxis der Liebe', dass es Vernunft, Objektivität und Glaube benötigt und in diesem Sinne sollte jeder Leser seinen eigenen Glauben, seine eigene Vernunft und Objektivität walten lassen um das anzunehmen, was dem eigenen Glauben entspricht und sich vom Rest anregen lassen seine Einstellung zu hinterfragen. Nicht um diese einfach durch die eines Anderen zu ersetzen, sondern um mehr über sich selbst zu erfahren. Man liest ja schliesslich ein solches Buch nicht um sich in allen Aspekten des Lebens bestätigt zu fühlen, sondern um Anregungen zu erhalten, die einem solch transzendente Themen wie das eigene Ego oder die Kunst der Liebe näher bringen.

Gegliedert ist das Buch in zwei Abschnitte: 'Die Theorie der Liebe' und 'Die Praxis der Liebe'. Im ersten Teil betrachtet Fromm die Kunst der Liebe aus anthropologischen, epistemologischen und psychologischen Gesichtspunkten und analysiert die Gesetzmässigkeiten (Beispielsweise Liebe als Möglichkeit der Transzendenz, Liebe als gesellschaftliche Grundlage, etc.) und Objekte (Nächstenliebe, Mütterliche Liebe, Erotische Liebe, Selbstliebe, Liebe zu Gott) der Liebe. Hierbei wird an manchen Stellen ersichtlich, dass dieses Buch in seiner ersten Auflage bereits in den 50er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts geschrieben wurde, denn stellenweise lässt sich klar der Zeitgeist in der Argumentation erkennen. Doch stört diese Argumentation überhaupt nicht auf der Suche nach der tieferen Natur der Liebe, denn wir betrachten diese lediglich aus einer anderen Perspektive da man getrost davon ausgehen darf, dass sich die Natur der Liebe in den letzten 60 Jahren (im Vergleich zum Zeitraum der menschlichen Existenz) nicht auch nur im geringsten geändert hat ;-).

Im zweiten Abschnitt versucht Fromm eine etwas handlungsorientiertere Sicht auf die Liebe zu erschliessen. Hierbei handelt es sich natürlich in keinster Weise um eine Anleitung (welche wohl auch hochgradig unseriös wäre). Vielmehr versucht er die im System der Liebe vorkommenden Entitäten ( (liebevolle-)Disziplin, Konzentration, Geduld, Wichtigkeit, Übung, etc.) zu beleuchten und in Beziehung zueinander zu setzen. Ähnlich der systemischen Theorie bleibt es dem Leser selbst überlassen wie er/sie diese Verbindungen gewichten will. Auf den ersten Blick mögen diese Entitäten sehr sachlich und nüchtern erscheinen, doch ich glaube Fromm hat hier wirklich einen wichtigen Punkt getroffen, denn heute ist es in der Tat oft so, dass die Liebe als ein Phänomen gesehen wird, welches ereilt wenn wir nur den RICHTIGEN Partner finden und welches keinerlei Arbeit und Anstrengung benötigt.

In der Tat hat mir das Buch wunderbare Anregungen gegeben. Anregungen, die mich einerseits dazu gebracht haben mich aus anderen Gesichtspunkten mit Themen zu beschäftigen, die mich schon seit Jahren interessieren. Aber auch Anregungen, die mir Energie gegeben haben einmal mehr den Anlauf zu machen um Dinge umzusetzen, an die ich aus tiefster Überzeugung glaube, die aber in unserer westlichen Gesellschaft sehr schwer umsetzbar sind. Aber schliesslich geht es mir ja nicht darum unser System zu ändern, sondern so zu handeln, dass ich mich selbst als integer und ehrlich zu mir selbst fühle.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Liebe ist keine Kunst, denn sie ist lernbar. Kunst ist nicht lernbar, denn sie ist ein Talent, das nicht alle haben.
Nicht geändert hat sich die Ideologie der Liebe vorwiegend als Fortpflanzungsakt. Aber die romanischen Sprachen unterscheiden ganz klar zwischen "lieben" und Liebe machen... ;)
Da ist mir Alex Comofort mit: Der aufgeklärte Eros lieber!

Baghira hat gesagt…

Hallo Bajaz,

danke für Deinen Kommentar!

>Liebe ist keine Kunst, denn sie ist lernbar.
>Kunst ist nicht lernbar, denn sie ist ein
>Talent, das nicht alle haben

Wenn Du Kunst in dieser (aus meiner Sicht völlig legitimen) Weise verstehst, dann sollte man wirklich das Wort Kunst nicht mit Liebe in Zusammenhang bringen.

Ich habe es jedoch anders verstanden. Sieht man in Kunst etwas, das einen berührt, so ist sie höchst subjektiv und was von einem als Kunst angesehen wird, wird vom Anderen negiert. So gesehen braucht es keine besonderen Fertigkeiten, denn es kommt lediglich darauf an, das passende Dreigestirn von Künstler, Kunstwerk und Betrachter zu finden (und derer gibt es viele).
Sieht man Kunst in erster Linie als handwerkliche Kunst, so bin ich der Auffassung, dass dies so gut wie jeder lernen kann. Vielleicht ist aber hier Goethes Definition von Kunst von Vorteil, denn sie spiegelt auch den Aufbau von Fromms Buch (ein wissenschaftlicher Teil und ein praktischer Teil) wieder:

„Kunst und Wissenschaft sind Worte, die man so oft braucht und deren genauer Unterschied selten verstanden wird, man gebraucht oft eins für das andere, und schlägt dann gegen andere Definitionen vor: ich denke, Wissenschaft könnte man die Kenntnis des Allgemeinen nennen, das abgezogene Wissen, Kunst dagegen wäre Wissenschaft zur That verwendet. Wissenschaft wäre Vernunft, und Kunst ihr Mechanismus, deshalb man sie auch praktische Wissenschaft nennen könnte. Und so wäre denn endlich Wissenschaft das Theorem, Kunst das Problem.“

>Nicht geändert hat sich die Ideologie der
>Liebe vorwiegend als Fortpflanzungsakt.
>Aber die romanischen Sprachen unterscheiden
>ganz klar zwischen "lieben" und Liebe
>machen... ;)

Was ich auch als richtig empfinde, denn es handelt sich ja bei diesen Beiden um zwei eigenständige Komponenten der Liebe, die irgendwie (jedoch sicher nicht bijektiv) aber dennoch zusammenhängen zu scheinen.

>Da ist mir Alex Comofort mit: Der aufgeklärte
>Eros lieber!

Danke für den Buchtipp, ich habs gerade bestellt ;-)

~baghira