Montag, 30. April 2007

Anatomie eines Gedankens

In letzter Zeit habe ich öfters an diese Geschichte, die ich im August 2006 geschrieben habe gedacht. Speziell nach dem letzten Posting in dem es im letzten Abschnitt um die Sehnsucht als Motor und Kraft für das konstante Entdecken und Erforschen geht dachte ich mir, dass dieser Text sehr gut dazu passt.


Anatomie eines Gedankens

Sehnsucht - Dieses Wort war ihm schon länger nicht mehr über den Weg gelaufen. Früher war es fester Bestandteil seines Lebens. Heute ist es in weite Ferne gerückt. Wäre da nicht die Werbung an dem vorbeifahrenden Bus gewesen, so hätte er auch an diesem Tag keinen Moment an seinen treuen Wegbegleiter von früher gedacht. Nachdenklich bog er in die Genferstrasse ein.

Vor zwei Jahren besass er sie noch – die Sehnsucht nach einer Beziehung, nach einer Familie, nach Geborgenheit. Heute hat sich seine Sehnsucht von damals erfüllt, doch wie ein Flaschengeist, der die drei Wünsche seines Meisters erfüllt hat, hat sie sich aufgelöst und sich aus seinem Leben verabschiedet. Immer mehr war er davon überzeugt, dass hinter der Sehnsucht mehr stecken musste als nur der Trieb seine Wünsche zu verwirklichen. Sehnsucht musste einen Selbstzweck haben. Er überquerte die beiden Zebrastreifen und bog auf den kleinen Weg ein, der um den Park führte.

Durch das Wort Sehnsucht inspiriert meldeten sich weitere Wörter in seinem Kopf. Zukunft und Nostalgie waren die ersten. Er legte sie aneinander, verband sie mit Füllwörtern und verschob sie wieder. Allein durch die Ästhetik des Satzes geleitet suchte er nach Kombinationen welche der Dramaturgie seines Gedankens gerecht werden würden.

„Die Sehnsucht ist ein Platzhalter für das was kommen mag. So gesehen ist die Nostalgie eine pathologische Sehnsucht, denn sie kleidet längst vergangenes in das Kleid des Neuen“

Mittlerweile sass er auf einer Bank auf dem kleinen Hügel und blickte hinaus auf den See. Es war der Ort an dem er früher oft bis in die Nacht sass und sich seiner Sehnsucht hingab. Damals war die Sehnsucht geprägt von der Nostalgie dessen, was er verloren hatte. Doch erst jetzt begriff er, dass er immer noch die Sehnsucht in sich trug. Nur hatte die Sehnsucht diesmal kein direktes Ziel, doch sie bedeutete seine Zukunft.


Epilog:
Es mag erstaunlich erscheinen, wie man lediglich geleitet von reiner Ästhetik eine Verbindung zu seinem innersten Ich herstellen kann und auf Basis bekannter Dinge neues entdeckt. Die Kunst scheint wichtig für uns als Mensch.

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