Samstag, 26. Januar 2008

Die Morgenlandfahrt – Hermann Hesse

Durch die Feder des Violinenspielers H.H. erzählt uns Hesse in 'Die Morgenlandfahrt' die Geschichte einer grossen Bewegung und ihrer Reise, „wie sie seit den Tagen Hüons und des Rasenden Roland von Menschen nicht mehr gewagt worden war“. Zu Anfang erinnert die Reise sehr an einen modernen Kreuzzug der Erkenntnis und auch an Insignien der Freimaurerei wird nicht gespart.

Was jedoch als eine reale Reise in der Nachkriegszeit durch die Landschaften in Süd-Deutschland, der Schweiz und Italien beginnt, entpuppt sich zunehmend als eine Reise durch Zeit und Raum. Zeitweise hat der Leser das Gefühl heimlicher Beobachter eines Traumes zu sein. Eines Traumes, der ohne jeden Widerspruch, Figuren aus der Vergangenheit mit Menschen der Gegenwart verbindet und sie vereint im Streben nach Erkenntnis durch reale und imaginäre Landschaften ziehen lässt, welche zeitlos ineinander fliessen.

Wie bei vielen der Erzählungen Hesses, geht es hierbei immer wieder um das Finden der eigenen persönlichen Identität in einem überpersönlichen Ganzen, einer Gemeinschaft, die hier durch 'den Bund' symbolisiert wird und die stellvertretend für all die suchenden Menschen stehen mag.

"Und ich werde, soweit dies heute noch irgend möglich ist, dabei des ersten Grundsatzes unserer großen Zeit eingedenk sein: niemals zu rechnen, niemals mich durch Vernunftgründe verblüffen zu lassen, stets den Glauben stärker zu wissen als die sogenannte Wirklichkeit."

Zu Anfang versucht der Violinenspieler H.H. die Sinngebung durch die retrospektive Beschreibung der grossen Reise zu erlangen. Eine Beschreibung in welcher er seine Erfahrungen in einen grösseren, historischen Zusammenhang bettet, in welchem sich das Individuum aufgehoben und mit Sinn erfüllt fühlen kann.

"[...] zuerst schien mir, als unternähme ich da eine mühevolle Arbeit im Dienst einer edlen Sache, aber mehr und mehr sehe ich, daß ich mit meiner Reisebeschreibung nichts anderes anstrebe als Herr Lukas mit seinem Kriegsbuch: nämlich mir das Leben zu retten, indem ich ihm wieder einen Sinn gebe."

Dies erinnert zuweilen sehr an Max Frischs Roman 'Mein Name sei Gantenbein' in welchem steht: "Jeder Mensch erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er für sein Leben hält.".

Später jedoch kommt zu dieser Sinngebung eine weitere, für Hesse sehr typische Komponente hinzu. Der Übergang von der Kindheit ins Erwachsenenleben.

"Endlich vermochte er sich aber doch nicht länger zu verbergen und zu drücken, sein Leid wurde zu groß, und ihr wisset, sobald das Leid groß genug ist, geht es vorwärts. Bruder H. ist durch seine Prüfung bis in die Verzweiflung geführt worden, und Verzweiflung ist das Ergebnis jedes ernstlichen Versuches, das Menschenleben zu begreifen und zu rechtfertigen. Verzweiflung ist das Ergebnis eines jeden ernstlichen Versuches, das Leben mit der Tugend, mit der Gerechtigkeit, mit der Vernunft zu bestehen und seine Forderungen zu erfüllen. Diesseits dieser Verzweiflung leben die Kinder, jenseits die Erwachsenen. Angeklagter H. ist nicht mehr Kind und ist noch nicht ganz erwacht. Er ist noch mitten in der Verzweiflung."

Und dies ist vermutlich auch der Grund, warum sich Kinder wenig mit Transzendenz und Sinngebung beschäftigen. Sie beziehen ihren Sinn aus der Gegenwart und ihrem sozialen Umfeld. Für Kinder ist das Konzept der Zeit ohne grosse Bedeutung, denn schier unendlich ist die Zukunft, die sie vom Tode trennt. Wie aber wollen wir uns als Erwachsene jenseits dieser 'Verzweiflung' verhalten? Sollten wir uns wieder des kindlichen Konzeptes bemächtigen, sollten wir die Transzendenz oder gar die Wissenschaft bemühen? Es ist vermutlich die Antwort auf genau diese Frage, welche den eigentlichen Sinn unseres Lebens birgt.

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