Samstag, 24. November 2007

Klein und Wagner – Hermann Hesse

Eigentlich habe ich dieses Buch schon vor zwei Wochen auf dem Flughafen und meinem Flug nach Berlin gelesen. Doch leider komme ich erst jetzt dazu den entsprechenden Blogeintrag zu schreiben.

Vorab, Hesse ist einfach genial! Nicht immer ganz einfach zu lesen, aber bisher hat mich jedes seiner Bücher wirklich fasziniert. Lange habe ich überlegt, wie ich die Beschreibung für dieses Buch einleiten soll und mittlerweile finde ich, dass der Klappentext den Inhalt perfekt wiedergibt und somit zitiere ich einen Teil dieses Textes:

Die Novelle Klein und Wagner ist einer der Höhepunkte der Prosa Hermann Hesses. 1919, nach vierjähriger, durch freiwillige Gefangenenfürsorge selbst auferlegter, fast völliger schriftstellerischer Abstinenz […] und nach der Trennung von Familie und Wohnsitz erfolgte die vehemente Niederschrift von Klein und Wagner. Hesse nannte sie eine »Geschichte des Philisters, den es in die Welt des Abenteuers, in die Sphäre des Unsicheren, ihm Fremden, Bösen, Gefährlichen hinüberreißt und der darin untergeht«.

Ähnlich wie Dr. Jeckyll und Mr. Hyde stehen hier Klein und Wagner für die zwei Pole eines Menschen, welche das ganze Spektrum der menschlichen Sehnsüchte aufspannen und den Menschen durch die Zeit getrieben von einem Extrem ins Andere werfen.

»Eine seiner Erfindungen war die Zeit. Eine feine Erfindung, ein raffiniertes Instrument, sich noch inniger zu quälen und die Welt vielfach und schwierig zu machen! Von allem, was der Mensch begehrte, war er immer nur durch die Zeit getrennt, nur durch diese Zeit, diese tolle Erfindung!«

Doch während in dem Roman von Robert L. Stevenson Dr. Jeckyll und Mr. Hyde multiple Persönlichkeiten waren, welche jeder für sich seine eigene Zeit hatten und abwechselnd aber völlig eigenständig lebten, so zeichnet Hesse ein weitaus weniger pathologisches Bild. Denn Klein und Wagner stehen für Stimmen in uns, die gleichzeitig sprechen, die im Zwiespalt miteinander stehen und deren dialektische Synthese unser Handeln beeinflusst. Diesem Gedanken folgend gelingt es relativ einfach weitere Pole zu manifestieren, denn es gibt viele Dinge, die uns als Menschen ausmachen und deren Synthese uns bestimmen. Gut und Böse ist hier nur ein altes bekanntes Beispiel. In gewisser Weise handelt ‚Drei liebe Freunde…’ auch von dieser Thematik, nur dass es sich hier anstatt einer Dialektik eher um eine Dreifaltigkeit handelt die zusätzlich in ein gefühlvolleres Thema gebettet ist.

Es ist ein wunderbares Buch, das im weiteren Sinn die verschiedenen pole des Menschseins anspricht. Pole, die in unserem alltäglichen Verständnis kaum miteinander vereinbar sind und die dadurch ein Gebiet aufspannen in welchem der Mensch als neugieriges Wesen wandelt und versucht dieses zu entdecken und zu verstehen.

»Ob das nun Honolulu, Mexiko oder Italien war, konnte ihm einerlei sein. Es war Fremde, es war neue Welt und neue Luft, und wenn sie ihn auch verwirrte und heimlich in Angst versetzte, sie duftete doch auch nach Rausch und Vergessen und neuen, unerprobten Gefühlen«

Für mich geht es in diesem Buch weniger um das Gute oder das Böse, sondern um den Mut, welchen man braucht in sein Innerstes zu schauen. Sich mit all den unrühmlichen Dingen, all den Schmerzen und all den Tatsachen zu konfrontieren, auf die man selbst oder durch gesellschaftliche Prägung herabschaut. Es geht darum sie anzuerkennen und nicht selbst in die Rolle des Philisters zu verfallen, der einen Teil seines eigenen Seins negiert, denn Gefühle lassen sich nicht negieren. Sie finden immer Wege um sich mitzuteilen.

Es ist ähnlich einem Vulkan der auszubrechen droht und den man mit einem gigantischen Stein verschliesst. Dieser Vulkan wird dennoch ausbrechen. Vielleicht erst Jahre später und an einem anderen Ort an den sich das Magma bis dahin unterirdisch und unbemerkt vorgearbeitet hat. Und wir werden nicht mehr verstehen, warum es ‚dort drüben’ an die Oberfläche gekommen ist. Gerade ‚dort drüben’ wo doch immer alles in Ordnung war.

Wenn wir uns selbst verstehen wollen, so müssen wir den Mut haben uns so anzunehmen wie wir selbst sind und nicht wie wir glauben sein zu müssen und das ist eben manchmal grausam womit wir wieder bei Hesses Buch und seiner emotionalen und gewaltigen Sprache sind.


»Er hatte sich fallen lassen! Daß er sich ins Wasser und in den Tod fallen ließ, wäre nicht notwendig gewesen, ebensogut hätte er sich ins Leben fallen lassen können.«

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

hi :)
ich schreibe meine Facharbeit über dieses Buch und teile deine Begeisterung auf jeden Fall!
Wobei ich zugeben muss, dass ich das Buch beim ersten Mal lesen nicht gleich verstanden habe, erst als ich mir das nötige Hintergrundwissen der Psychoanalyse angeeignet hatte, sah ich den tieferen Sinn der Geschichte :)
Ich denke mal ich werde einige Kommentare aus deiner Wertung zitieren,wenn du nichts dagegen hast :)

lg
Mareike

Baghira hat gesagt…

Hi Mareike,

klar kannst Du aus dem Blogeintrag zitieren. Ich würd mich auch über nen Link zu Deiner Facharbeit freuen, falls Du sie online auf dem Internet hast.

Liebe Grüsse,
Baghira

Papageno hat gesagt…

"K u W" ist fuer mich irgendwie mit Romanen von Scot Fitzgerald verbunden.
Eigentlich interessant ist ob Hesse schon damals seine zweite Frau Ruth kannte, Sie war 20 Jahre juenger und wir wissen bis heute nmicht wer wem "eroberte".
Natuerlich eine Liebe muss auch eine Ende haben. Hesse hat sehr oft alles verwassert. Er hat immer problemme mit wasser und "floh vor jugend" und so suchte "Erloesung"