Dienstag, 25. Dezember 2007

Narziß und Goldmund – Hermann Hesse

In gewohnt bildlicher und anmutiger Sprache führt uns Hesse ins ausgehende Mittelalter nach Süd-Deutschland. Dort trifft der junge Goldmund, der von seinem Vater aufgezogen wurde und seine Mutter nie richtig kennengelernt hat auf den jungen Lehrer Narziß, der ihm in so vielen Dingen überlegen erscheint. Narziß ist ein junger Gelehrter und Menschenkenner, der trotz seines jungen Alters in Disziplinen wie der Philosophie, Griechisch oder Latein bereits vielen der alt eingesessenen Lehrer überlegen ist. Schon bald entwickelt sich eine Freundschaft zwischen den Beiden obwohl am Anfang völlig unklar ist, wo das verbindende Element in ihrer Freundschaft und die Faszination der Beiden füreinander liegt. Zwar strebt Goldmund danach ebenso gebildet und wortgewandt wie Narziß zu werden, doch bereits nach den ersten Kapiteln wird klar, dass er dies nie erreichen wird. Dies führt auch im Roman zu einer Schlüsselszene, in der Narziß Goldmund mit dieser Tatsache konfrontiert und so heftigste Reaktionen in Goldmund auslöst. Nach einer fast sprichwörtlichen ‚Neugeburt’ beschliesst Goldmund das Kloster zu verlassen und die Welt zu bereisen.

„Er [Anm.: Narziss] sah Goldmund aus geheimen Quellen her mit Kräften gespeist, die ihm selbst fremd waren; er hatte ihr Wachstum fördern können, hatte aber keinen Anteil an ihnen. Mit Freude sah er den Freund sich von seiner Führerschaft befreien und war doch zuweilen traurig. Er empfand sich als überschrittene Stufe, als weggeworfene Schale.“

Als Leser folgen wir Goldmund nun auf seinem jahrelangen Weg durch das Land auf dem er sich, ganz im Unterschied zu Narziß, der Wollust sowie der Kunst hingibt und Stück für Stück seine eigene, ihm lange verborgende Identität entdeckt. Immer wieder lässt uns Hesse dabei ganz tief in die Seele Goldmunds blicken und die tiefe Zerrissenheit zwischen der Hingabe an das Leben und der Hingabe an die Kunst erkennen.

„Es war ja schmählich, wie man vom Leben genarrt wurde, es war zum Lachen und zum Weinen! Entweder lebte man, ließ seine Sinne spielen […] dann gab es zwar manche hohe Lust, aber keinen Schutz gegen die Vergänglichkeit […]. Oder man setzte sich zur Wehr, man sperrte sich in eine Werkstatt ein und suchte dem flüchtigen Leben ein Denkmal zu bauen – dann mußte man auf das Leben verzichten, dann war man bloß Werkzeug, dann stand man zwar im Dienst des Unvergänglichen, aber man dorrte dabei ein und verlor die Freiheit, Fülle und Lust des Lebens.“

Nach vielen Jahren treffen Narziß und Goldmund dann in einer äusserst bedrohlichen Lage aufeinander und ihre Freundschaft lodert erneut auf. Goldmund folgt Narziß, der mittlerweile Abt des Klosters geworden ist zurück in seine alte Heimat und widmet sich dort ganz seiner Kunst ohne jedoch die Sehnsucht nach der Wanderschaft ganz ablegen zu können. Wie ein Schwelbrand steckt diese Lust in ihm und treibt ihn schlussendlich dazu noch einmal hinaus in die Welt zu reisen. Was auf dieser Reise geschehen ist erfährt der Leser nur andeutungsweise. Umso stärker beobachtet man jedoch wie Goldmund seinem inneren Frieden näher kommt.

„…Es war ihm auch Anderes [Anm.: während der Reise] abhanden gekommen und hatte ihn verlassen: die Jugend, die Gesundheit, das Selbstvertrauen, das Rot im Gesicht und die Kraft im Blick. Dennoch gefiel ihm das Bild: dieser alte schwache Kerl im Spiegel war ihm lieber als der Goldmund, der er so lang gewesen war. Er war älter, schwächer, kläglicher, aber er war harmloser, er war zufriedener, es war besser mit ihm auszukommen.“

Wieder erzählt Hesse eine Geschichte in unglaublich schönen Bildern und Metaphern. Eine Geschichte, die, je mehr ich darüber nachdenke, auch mit meinem eigenen Leben zu tun hat. Während in meinen Schuljahren und der Zeit des Studiums vor Allem das Faktische, Logische und Wissenschaftliche meinen Geist erfüllte und ich aus dem Drang die Welt verstehen zu wollen Physik studierte, so sind es heute zunehmend die weichen, emotionalen und künstlerischen Dinge, die mich nun bewegen. Würde ich heute noch einmal studieren, so wäre es sicher Philosophie oder noch viel eher Psychologie, denn die Physik mag zwar erklären wie etwas abläuft und wie Dinge zusammenhängen, man erfährt also viel über das ‚Wie’. Das ‚Warum’ vermag sie aber grundsätzlich nicht zu beantworten. Ich komme auch immer mehr zur Einsicht, dass das ‚Warum’ kein universelles ‚Warum’ sein kann, das irgendwelchen Naturgesetzen unterliegt, sondern eher ein individuelles ‚Warum’, welchem man mit den Methoden der Psychologie, der Anthropologie oder der Epistemologie wesentlich näher kommt. Auch spielt die Kunst, und hier natürlich im Speziellen das Schreiben, eine immer grössere Rolle in meinem Leben, da sie Dinge in mir anspricht, die lange brach gelegen haben. Dinge, von denen ich das Gefühl habe, dass sie mich vervollständigen.

Hesses Roman zeigt in den Figuren Narziß und Goldmund eine wirklich schöne Konvergenz dieser beiden Welten, bis hin zu der Erkenntnis auf den letzten Seiten, dass es sich hierbei nicht unbedingt um verschiedene Welten handeln muss. Ein schöner Ausblick ;-).

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