Samstag, 2. Februar 2008

Sommer am See – Alberto Vigevani

'Sommer am See' spielt in den Dreissiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts in den Kreisen der gehobenen Mailänder Gesellschaft. Der Leser entdeckt diese Welt aus den Augen des vierzehnjährigen Giacomo, der mit seinem Alltag, den immer fortwährenden Schulpflichten und seiner Einsamkeit nur sehr schlecht zurecht kommt. Er hat wenige Freunde und einen klaren Hang zur Melancholie. Die Welt seiner Kollegen gibt ihm nicht viel, die Welt der Erwachsenen ist ihm noch verschlossen und die Gefühlsabstinenz seines Elternhauses macht es ihm schwer das, was im Moment in ihm vorgeht zu verarbeiten.

Fast die ganze Geschichte spielt in der Ferienresidenz der Familie am Comer See. Dort scheint sich das Leben des Giacomo anfänglich genau so weiter zu bewegen, doch es sind viele kleine Änderungen in seinem Leben, die sich zu einem neuen Bild seiner Selbst zusammensetzen. Mit seinem neuen Fahrrad entdeckt Giacomo eine ganz neue Freiheit. Eine Freiheit, die sich im Laufe des Romans auf ganz viele Seiten seines Lebens ausweitet.

Es ist auch in diesem Sommer, in dem Giacomo seine ersten erotischen Erfahrungen mit dem Dienstmädchen Emilia macht. Doch schnell lernt Giacomo den Unterschied zwischen der erotischen Erfahrung und der Liebe, denn Liebe, so spürt er, war keine im Spiel. Diese kommt erst zu einem späteren Zeitpunkt ins Blickfeld des pubertierenden.

Am Ufer des Sees lernt Giacomo den jüngeren Andrew kennen, der zusammen mit seiner Mutter aus England in die Ferien nach Italien gereist ist. Er freundet sich mit ihm an, verliebt sich in seine Mutter und es ist diese Konstellation, die einen kompletten Wandel in Giacomo bewegt. War er bisher immer das Kind gewesen, das weder in der Kinderwelt noch in der Erwachsenenwelt gelebt hat, so war er nun durch seine Liebe zu Andrews Mutter stärker mit der Erwachsenenwelt verbunden und durch die Tatsache, dass Andrew zu ihm aufschaut und gerne von ihm lernt der Kinderwelt entflohen.

Es sind noch einige andere solcher Ereignisse, die uns in Giacomos Verwandlung von einem Kind zum jungen Mann begleiten. In sehr gefühlvollen und poetischen Worten beschreibt Vigevani diese Verwandlung und bettet sie sprachlich meist elegant in die Umgebung ein. Für meinen Geschmack wurde das Buch vielleicht mit etwas zuviel 'literarischem Weichzeichner' geschrieben, doch es ist immer noch angenehm zu lesen.

So richtig faszinieren konnte mich das Buch jedoch nicht. Eigentlich verwunderlich, denn die sanfte und achtsame Beschreibung Giacomos Gefühle, die Erfahrungen, die er macht, die Entdeckung seiner neuen Identität wären alles Themen, welche ich interessant finde. Doch meist sind diese Themen an der Oberfläche angekratzt worden ohne sie dann weiter zu vertiefen. Es mag vielleicht auch daran liegen, dass ich in letzter Zeit viel Hesse gelesen habe und in seinen Büchern dringt man in tiefere Ebenen des Bewusstseins seiner Charaktere, die ebenfalls meist in Umbruchssituationen in ihrem Leben stehen. Alles in Allem nett zu lesen aber nicht wirklich ein Buch, welches ich meinen Bloglesern ans Herz legen würde.

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