Montag, 30. April 2007

Anatomie eines Gedankens

In letzter Zeit habe ich öfters an diese Geschichte, die ich im August 2006 geschrieben habe gedacht. Speziell nach dem letzten Posting in dem es im letzten Abschnitt um die Sehnsucht als Motor und Kraft für das konstante Entdecken und Erforschen geht dachte ich mir, dass dieser Text sehr gut dazu passt.


Anatomie eines Gedankens

Sehnsucht - Dieses Wort war ihm schon länger nicht mehr über den Weg gelaufen. Früher war es fester Bestandteil seines Lebens. Heute ist es in weite Ferne gerückt. Wäre da nicht die Werbung an dem vorbeifahrenden Bus gewesen, so hätte er auch an diesem Tag keinen Moment an seinen treuen Wegbegleiter von früher gedacht. Nachdenklich bog er in die Genferstrasse ein.

Vor zwei Jahren besass er sie noch – die Sehnsucht nach einer Beziehung, nach einer Familie, nach Geborgenheit. Heute hat sich seine Sehnsucht von damals erfüllt, doch wie ein Flaschengeist, der die drei Wünsche seines Meisters erfüllt hat, hat sie sich aufgelöst und sich aus seinem Leben verabschiedet. Immer mehr war er davon überzeugt, dass hinter der Sehnsucht mehr stecken musste als nur der Trieb seine Wünsche zu verwirklichen. Sehnsucht musste einen Selbstzweck haben. Er überquerte die beiden Zebrastreifen und bog auf den kleinen Weg ein, der um den Park führte.

Durch das Wort Sehnsucht inspiriert meldeten sich weitere Wörter in seinem Kopf. Zukunft und Nostalgie waren die ersten. Er legte sie aneinander, verband sie mit Füllwörtern und verschob sie wieder. Allein durch die Ästhetik des Satzes geleitet suchte er nach Kombinationen welche der Dramaturgie seines Gedankens gerecht werden würden.

„Die Sehnsucht ist ein Platzhalter für das was kommen mag. So gesehen ist die Nostalgie eine pathologische Sehnsucht, denn sie kleidet längst vergangenes in das Kleid des Neuen“

Mittlerweile sass er auf einer Bank auf dem kleinen Hügel und blickte hinaus auf den See. Es war der Ort an dem er früher oft bis in die Nacht sass und sich seiner Sehnsucht hingab. Damals war die Sehnsucht geprägt von der Nostalgie dessen, was er verloren hatte. Doch erst jetzt begriff er, dass er immer noch die Sehnsucht in sich trug. Nur hatte die Sehnsucht diesmal kein direktes Ziel, doch sie bedeutete seine Zukunft.


Epilog:
Es mag erstaunlich erscheinen, wie man lediglich geleitet von reiner Ästhetik eine Verbindung zu seinem innersten Ich herstellen kann und auf Basis bekannter Dinge neues entdeckt. Die Kunst scheint wichtig für uns als Mensch.

Sonntag, 29. April 2007

Anleitung zum Unglücklichsein/Vom Schlechten des Guten – Paul Watzlawick

Zuerst dachte ich, 'Vom Schlechten des Guten' ist lediglich ein Untertitel des Buches 'Anleitung zum Unglücklichsein'. Doch ab etwa Seite 120 merkte ich, dass es wirklich ein zweites Buch in einer Ausgabe sein muss ;-). Da es aber physisch lediglich ein Buch war und die Themen sehr verwandt waren, schreibe ich nur einen Blog-Eintrag dazu.

Durch die Seminare an der Uni und die vielen Bücher, die ich daraufhin im Bereich systemische Familientherapie gelesen habe, kannte ich Watzlawick und seine Ideen bereits etwas. So waren die Konzepte nicht wirklich neu und doch war das Buch ungemein amüsant und kurzweilig zu lesen. Schon der Anfang ist Watzlawick meiner Meinung nach sehr gelungen.

»[...] so haben es sich die Sozialstaaten im großen Maßstabe zur Aufgabe gemacht, das Leben des Staatsbürgers von der Wiege bis zur Bahre sicher und glücktriefend zu gestalten. Dies ist aber nur dadurch möglich, daß der Staatsbürger systematisch zur gesellschaftlichen Inkompetenz erzogen wird. In der gesamten westlichen Welt steigen daher die Staatsausgaben für das Gesundheits- und Sozialwesen von Jahr zu Jahr immer steiler an. [...] Man stelle sich nur vor, wie es um uns stünde, wenn dieser Aufwärtstrend zum Stocken käme oder gar rückläufig würde. Riesige Ministerien und andere Monsterorganisationen brächen zusammen, ganze Industriezweige gingen bankrott und Millionen von Menschen wären arbeitslos. [...] Zur Vermeidung dieser Katastrophe will das vorliegende Buch einen kleinen, verantwortungsbewussten Beitrag leisten.«

Und so gibt Watzlawick in seinem Buch Ratschläge, wie man unglücklich wird. Diese Ironie zieht sich auch durch das Buch durch und macht es sehr erfrischend zu lesen. Doch obwohl die einzelnen Effekte sehr amüsant beschrieben sind, treffen sie genau ins Schwarze. Vielleicht gibt auch diese Art der Beschreibung eine andere Perspektive auf die Probleme.

Einerseits beschreibt Watzlawick grundsätzliche Strukturen und andererseits lockern auch wieder kurze prägnante Unglücksrezepte den Text auf und exemplifizieren die gerade beschriebene Struktur. In Bezug auf das Lieben, welches erwartungsgemäss einen grossen Platz einnimmt, rät Watzlawick in seiner ironischen Art zum Beispiel:

»Rede dir ein, du liebst, wo du flüchtig begehrst. Glaub es dann selbst... Aufrichtig liebt, wem's gelang, sich selbst in Feuer zu sprechen.«

Neben diesen Unglücksrezepten kommt Watzlawick dennoch nicht umhin auch ein paar Glücksrezepte einzustreuen. So schreibt er zum Beispiel:

»Reife, so lautet bekanntlich der ausgezeichnete Aphorismus, ist die Fähigkeit, das Rechte auch dann zu tun, wenn es die Eltern empfohlen haben.«

Oft ist es mir passiert, dass ich etwas gelesen habe und mir sofort Beispiele aus meinem eigenen Leben zu einem Prinzip, welches Watzlawick skizziert hat, eingefallen sind. Zum Beispiel ein Thema welches ich in letzter Zeit ab und zu mit Freunden besprochen habe: Je älter man wird, desto schwerer scheint es zu sein einen Partner zu finden. Man hat viele Erfahrungen gemacht und scheint genau zu wissen, was man will und was nicht. Watzlawick schreibt hierzu:

»Wenn einem Pferd durch eine Metallplatte im Stallboden ein elektrischer Schock in einen Huf zugefügt wird und kurz davor ein Summerzeichen ertönt, so bringt das Tier sehr rasch diese beiden Wahrnehmungen in scheinbar ursächlichen Zusammenhang. Das heißt, jedesmal, wenn der Summer ertönt, wird das Pferd nun den betreffenden Huf anheben, um dem Schock zu entgehen. Ist einmal diese Assoziation zwischen Summer und Schock hergestellt, so ist der Schock nicht mehr nötig: Der Summer allein führt zum Anheben des Hufs. Und jeder dieser Akte der Vermeidung verstärkt im Tiere die Überzeugung, daß es damit die schmerzvolle Gefahr vermieden hat. Was es nicht weiß und auf diese Weise auch nie herausfinden kann, ist, daß die Gefahr schon längst nicht mehr besteht.«

Nun ist das wirklich keine revolutionäre Erkenntnis, denn wer von uns hat diese Gedanken nicht schon gehabt. Vielmehr sind es die Verbindungen zwischen all diesen Gedanken, vermischt mit unseren Erfahrungen, die uns viele neue Gedanken und Ideen geben, wenn wir dieses Buch lesen. Zumindest habe ich ein paar Mal diverse Aha-Erlebnisse gehabt (Übrigens: Dem aufmerksamen Leser mag die Parallele zum letzten Zitat des Blog-Eintrages zu Rafik Schami’s Buch ‚Eine Hand voller Sterne’ aufgefallen sein.).

Da ich schon so viel zum ersten Buch geschrieben habe, werde ich zum Zweiten lediglich schreiben, dass es mir ebenfalls sehr gut gefallen hat und den Text, welchen ich mir zum Schluss auf den Buchrand geschrieben hab (Yep, in dieses Buch hab ich wirklich sehr viel reingeschrieben) zitieren:

Wir sind stets auf der Suche nach der Erfüllung und diese Erfüllung hilft uns dabei für immer zu suchen (und unser Glück auf diesem Wege in vielen kleinen Abschnitten zu finden) indem sie nie eintritt. Sie gibt uns quasi die Kraft für Immer zu suchen und somit das Potential glücklich zu sein. Wir können diese Erfüllung auch wie Novalis 'Blaue Blume' oder wie ich, Sehnsucht nennen.

Samstag, 28. April 2007

Eine Hand voller Sterne – Rafik Schami

Es Riecht nach Sommer. Heute war ein wunderbarer Tag. Meine beste Freundin und ich sind am frühen Mittag Kleider shoppen gegangen. Am Nachmittag haben wir uns mit viel Früchten an den See gesetzt und gelesen. Nachdem sie dann heimgegangen ist bin ich an meine Lieblingsstelle am See, welche ich 2003 für mich entdeckt habe und in jenem Jahr fast jeden Abend dort gelesen habe.

Das Wasser riecht förmlich nach Sommer. Die zwei kleinen Entchen sind auch schon ein paar Mal vorbei geschwommen und die Fontaine reicht fast bis zum fahlen Mond hinauf, der schon am späten Nachmittag sichtbar wurde. Unter der Fontaine steuern zwei Jungs das Tretboot so, dass das herunterfallende Wasser die beiden Mädchen auf dem Tretboot in eine Gischtwolke einhüllt. Sie quittieren dies mit heiterem Gekreische. Und ich, ich sitze an der Quaimauer und lese mein erstes Buch von Rafik Schami. Dieser Autor ist mir schon ein paar Mal empfohlen worden und neulich in der Buchhandlung habe ich mir probehalber zwei Bücher von ihm mitgenommen.

»Schade, dass ich nicht schreiben kann. Ich habe viel erlebt, und es war wichtig. Heute weiss ich nicht mehr, was mich vor Jahren nächtelang nicht schlafen liess«
»Du weisst noch eine Menge, Onkel«, tröstete ich Onkel Salim.
»Nein, mein Freund«, sagte er. »Von der Landschaft bleiben nur die Berge und später nur noch die Gipfel sichtbar, und das Ganze taucht im Nebel unter. Hätte ich Schreiben gelernt, könnte ich nicht nur die Berge, Felder und Täler sehen, sondern jeden Stachel einer Rose Wiedererkennen.«


Und so beschliesst der Vierzehnjährige Bäckerjunge aus Damaskus ein Tagebuch zu führen. Obwohl er den ersten Eintrag nach seinem Entschluss erst 9 Tage später schreibt, gewinnt das Tagebuchschreiben einen immer wichtigeren Stellenwert für ihn. Das Schreiben wird ihm so wichtig, dass er nicht viel später beschliesst Journalist zu werden. Journalist in Syrien, welches von Putschen und Unruhen regelmässig heimgesucht wird und die Wahrheit dort zu einem gefährlichen Gut geworden ist.

Das Buch erzählt von seinem besten Freund, dem Kutscher Salim, der ihm nicht nur herrliche Geschichten erzählt, sondern ihm auch in schwierigen Situationen wie ein Vater mit weisem Rat zur Seite steht. Das Buch erzählt auch von Nadja und seiner grossen Liebe zu ihr, von seinen Freunden und den Leuten, die er auf seinem Weg zum Journalisten kennen lernt.

»Was ist eigentlich ein Journalist?« fragte ich, da ich nur wusste, dass diese Leute irgendwie eine Zeitung machen.
»Oh, ein Journalist«, stöhnte Onkel Salim. »Das ist ein kluger und mutiger Mensch. Er hat nur ein stück Papier und einen Bleistift, und damit macht er einer Regierung mit ihrer Armee und der Polizei Angst.«


Doch er merkt, dass es neben dem Bleistift und dem Papier noch etwas braucht um die Wahrheit in die Welt zu tragen. Eine Zeitung, die auch verteilt und gelesen wird. Und so erfindet er zusammen mit seinem grossen Vorbild, dem Journalisten Habib eine ganz besondere Zeitung.

Schami zeichnet mit viel Feingefühl die Welt des Jungen, der in einem Umfeld, reich von Entbehrungen, heranwächst und welches doch gleichzeitig alles bietet, was er zum Erwachsen werden benötigt. Schami zeigt immer wieder die Verschiedenheit der Kulturen auf und tut dies jedes Mal ohne jede Wertung.

Mir hat das Buch sehr gut gefallen und ich freue mich schon auf die nächsten Bücher von Rafik Schami. Wenn diese ebenso gut sind, dann werde ich viel zu lesen haben, denn Schami scheint ein recht fleissiger Autor gewesen zu sein. Nur vor "Die dunkle Seite der Liebe" habe ich noch etwas Respekt, denn über 1000 Seiten verlangen fast nach Ferien auf einer einsamen Insel ;-).

»Und wenn du dreihundertmal auf die Nase fällst. Suche weiter neue Freunde und sei nicht mißtrauisch! […] Suche deine Freunde, und laß die Lupe sein, denn mit ihr machst du den größten Fehler deines Lebens: Du wirst einsam leben.«

Freitag, 27. April 2007

Der Teufel von Mailand – Martin Suter


„Die Türklinke fühlte sich kühl an. Nichts weiter. Nicht zartbitter oder süsssauer, einfach kühl.“


Nach ihrem ersten LSD trip wacht Sonja im Halbdunkel eines unbekannten Zimmers auf. Schnell merkt sie, dass sie Farben schmecken und Geräusche sehen kann. Zwar hatte sie sich Zahlen schon als Kind farbig vorgestellt, doch als ihr ihre Lehrerin versicherte, dass Zahlen keine Farbe haben, hatte sie ihre Empfindung beiseite gestellt und seither nicht mehr darüber gesprochen. Jetzt sind ihre Empfindungen allerdings sehr viel intensiver und beunruhigender, denn sie lassen sich nicht einfach beiseite schieben.

Genauso wenig wie ihre Empfindungen, lässt sich Sonjas Vergangenheit einfach beiseite schieben. Ihre Ehe mit Frédéric, einem Banker, der ihr gegenüber gewalttätig geworden war und von dem sie sich hatte scheiden lassen, holt sie immer wieder in Form der Mutter Frédérics ein. Diese versucht Sonja zu überzeugen ihre Klage gegen Frédéric fallen zu lassen, so dass er aus dem Gefängnis entlassen wird. Doch Sonja hat alles Andere im Sinn als Frédéric, der sie beinahe umgebracht hätte, zu entlasten.

Um alledem zu entfliehen, nimmt Sonja einen Job als Physiotherapeutin in einem neu renovierten Wellness-Hotel im entfernten Val Grisch im Unterengadin an. Die Besitzerin des Hotels, die bildhübsche und junge Barbara Peters ist ihr zwar sympathisch, doch es umgibt sie auch etwas Geheimnisvolles. Wie konnte Barbara sich dieses Hotel leisten und warum scheint es ihr nicht wichtig zu sein, dass das Hotel Profit abwirft? Nach einigen Tagen kommt es auch zu ersten rätselhaften Zwischenfällen. Lauter Vorfälle, die keinen Sinn zu ergeben scheinen und die doch zu ungewöhnlich sind als dass kein Sinn sie verbinden würde. Doch dann entdeckt Sonja ein altes Buch mit eine Sage aus dem Unterengadin, dem Teufel von Mailand. Von nun an beginnen die Ereignisse sich zu verbünden – nur gegen wen?

Es ist zwar nicht das beste Buch von Martin Suter, dennoch hat es mir sehr gut gefallen und ich habe es an einem Tag gelesen. Im Gegensatz zu ‚Smalll World’, welches sehr gut recherchiert ist und in dem man das Gefühl hat, dass jedes Detail der Geschichte mit Spezialisten abgesprochen und auf seine Richtigkeit verifiziert wurde, benötigt ‚Der Teufel von Mailand’ etwas mehr Vorstellungskraft. Man muss stellenweise seine angeborene Skepsis beiseite legen und sich dem Fluss des Buches hingeben um es richtig zu geniessen. Und natürlich ist es wieder hervorragend geschrieben und es macht einfach spass zu Lesen. Ich würde es auf jeden Fall weiterempfehlen.

Mittwoch, 25. April 2007

Kleine Eheverbrechen – Eric-Emmanuel Schmitt

Diese Woche hat der Sommer so richtig für mich angefangen. Nach dem Urlaub letzte Woche und dem freien Tag am Montag war das Wetter am Dienstag so schön, dass ich mein Fahrrad wieder hervor geholt habe und nach der Winterpause wieder angefangen hab Fahrrad zu fahren. Heute bin ich nach der Arbeit an den See und habe dort erst im Kaffee und danach noch am See gelesen. Und da eben diese beiden Dinge für mich zu einem super Sommer gehören bin ich grad in total guter Laune ;-)

Also, was hab ich heute gelesen... 'Kleine Eheverbrechen' von Eric-Emmanuel Schmitt. Nach den drei super Büchern von ihm und dem einen Enttäuschenden (siehe Eintrag vom 21.04.2007) musste ich noch eines von ihm lesen. Auf den ersten Seiten hat mich der Inhalt des Buches an 'Small World' von Martin Suter erinnert, und ich habe mich recht gewundert, denn ich habe ein völlig anderes Buch erwartet. Es hat mir aber zur Mitte hin immer besser gefallen und gegen Ende haben nun viele Seiten ein Eselsohr. Das heisst bei mir: "Auf dieser Seite steht etwas, das ich total interessant finde" oder "Yep, das hab ich auch schon so gefühlt".

Zuerst fällt auf, dass das Buch im Stil eines Drehbuches oder eines Bühnenbuches geschrieben ist. Mimik, Gestik oder die Gefühle der Charaktere werden im Text wie eine Regieanweisung aufgeführt und so ist der Einstieg in das Buch etwas ungewohnt. Nach einer Weile liest man diese jedoch einfach mit und lässt das Bühnenstück so vor sich ablaufen wie man es im Theater sehen würde.

Gilles und Lisa sind bereits 15 Jahr verheiratet, doch nun leidet Gilles unter einer Amnesie. Ist er die Treppe herunter gefallen? Ist das seine Wohnung? Und überhaupt, ist diese attraktive Frau, die stets mit einem Auffordernden ‚Du!’ auf seine versehentlichen Anreden mit ‚Sie’ antwortet, wirklich seine Ehefrau.

Nach und nach erzählt sie ihm von seinem früheren Leben. Sie zeichnet ihm ein Bild des Mannes, der er früher gewesen ist. Doch warum weiss Gilles plötzlich Dinge, die er nicht wissen darf? All das wäre sicher Stoff für einen grossartigen Kriminalroman. Doch Schmitt hat daraus ein Buch über die Gefühle in einer langen Beziehung gemacht. Ich finde es ist ihm gut gelungen.


Gilles: Du erwartest etwas von der Liebe [...]. Wo sie es doch ist, die etwas von Dir erwartet. Dir soll die Liebe beweisen, dass es sie gibt. Holzweg. Du musst beweisen, dass sie existiert.

Lisa : Und wie?

Gilles: Vertrauen schenken.

Sonntag, 22. April 2007

Small World – Martin Suter

Konrad Lang stand Lauf seines Lebens im Schatten seines Freundes Thomas Koch. Durch Thomas lerne Konrad die Welt der Schweizer Hochfinanz kennen und genoss auch deren Erziehung. Eine Erziehung aus der er heute noch schöpft, denn er gilt unter Bekannten als höflicher und zuvorkommender Mensch.

Seinen Lebensunterhalt bestreitet Konrad mit Gelegenheitsjobs. Er hat es noch nie sehr weit gebracht - nie aus dem Schatten von Thomas gefunden. Als er in seiner Tätigkeit als Hauswart die Familienvilla der Kochs aus Fahrlässigkeit abbrennen lässt, beginnt jedoch ein unaufhaltbarer Wandel in seinem Leben.

Zunehmend macht ihm sein Gedächtnis zu schaffen. Sind es am Anfang noch belustigende Dinge wie Socken im Ofen, so kann er sich schon bald keine Namen mehr merken. Sogar der Name der Frau, mit der er zusammen lebt und die er in Kürze heiraten wollte, versinkt im Schatten des Vergessens. Je mehr Konrad jedoch Dinge aus seinem jetzigen Leben vergisst, desto weiter scheint sein Gedächtnis in die Vergangenheit zu reichen. Bald erinnert er sich auch an Geschehnisse, die aus seiner frühen Kindheit stammen und nun wie zufällig an die Oberfläche sprudeln. Dinge, die Menschen aus seinem Umfeld nervös machen. Dinge, die man besser unter Verschluss hält.

Suter zeichnet ein bedrückendes aber zugleich sehr gefühlvolles und liebevolles Bild eines Menschen, der sich innerhalb kürzester Zeit seiner Umwelt entfremdet. Durch wechselnde Erzählperspektiven wird diese Entfremdung plastisch und emotional beschrieben.
Es ist ein schwieriges Thema, über welches Suter hier schreibt. Zu schnell könnte ein Roman über einen Alzheimerkranken in eine Stimmung abrutschen, die vor Bedrückung und Hoffnungslosigkeit den Blick für andere Dinge versperrt. Doch durch seinen wunderbaren Erzählstil und die wechselnden Erzählperspektiven hält Suter eine perfekte Balance zwischen den Gefühlen aller beteiligten Charaktere aufrecht.

Mir hat dieses Buch unglaublich gut gefallen und so hatte ich es auch schon nach einem Tag fertig gelesen. Ein Buch welches mich zwischen Betroffenheit und Mitgefühl, Spannung und Erheiterung pendeln lies und mich wirklich fesselte - So, dass ich jedes mal, wenn ich mir vornahm nur noch bis zum nächsten Kapitel zu lesen, verstohlen auf die erste Seite des nächsten Kapitels blickte um dort von Neuem anzufangen und meinen Vorsatz auf das nächste Kapitel zu verschieben.

Samstag, 21. April 2007

Die Schule der Egoisten - Eric-Emmanuel Schmitt

Das Buch 'Die Schule der Egoisten' habe ich ebenfalls im Urlaub gelesen. Aber an die anderen Bücher von Eric-Emmanuel Schmitt kommt dieses bei weitem nicht heran. Auch erstaunt mich, dass es dieses Buch auf die Spiegel Bestsellerliste geschafft hat.

Der Protagonist dieses Buches, ein Französischer Philosophie Student, stösst in der Bibliothèque Nationale auf einen Definition des Egoismus, in welcher Gaspard Languenhaert zitiert wird. Er begeistert sich für Gaspard und begibt sich auf die Suche nach Artefakten seines Lebens.

Auf dieser Suche, welche sich über endlose Seiten von Gedanken bezüglich dem Sein und der Wahrnehmung erstreckt, ereignen sich auch geheimnisvolle Dinge. Diese lassen den Protagonisten nicht nur einmal an der wahren Existenz Languenhaerts zweifeln.

Alles in Allem hat mir das Buch aber nicht wirklich gefallen und ich kann es auch nicht empfehlen. Zwar finde ich Gedankenexperimente zum Sein und der Wahrnehmung der Welt sehr interessant, doch brachten mir die Ausführungen in diesem Buch keinerlei neue Erkenntnisse, noch waren sie besonders interessant. Da die anderen Bücher von Schmitt jedoch so gut waren habe ich ihm dieses verziehen und gestern ein Neues ('Kleine Eheverbrechen') gekauft. Mehr davon demnächst hier auf diesem Blog ;-).

Freitag, 20. April 2007

Das Kind von Noah – Eric-Emmanuel Schmitt

Nach 'Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran', 'Oskar und die Dame in Rosa' sowie 'Die Schule der Egoisten' war 'Das Kind von Noah' das vierte Buch, welches ich von Eric-Emmanuel Schmitt gelesen habe. Wie auch auf dem Umschlag vermerkt ist, steht Joseph, der junge Protagonist dieser Erzählung, in direkter literarischer Verbindung mit Momo und Oscar (aus den beiden erstgenannten Büchern). Joseph ist ein sechs Jahre alter jüdischer Junge, der im besetzten Belgien von seinen Eltern getrennt wird und bei Pater Bims mit gefälschten Papieren Unterschlupf findet.

Das Buch beschreibt auf feine und einfühlsame Weise, wie die damaligen Umstände und Geschehnisse auf Joseph wirken und wie er mit dieser Welt umgeht. Zum Teil sind wirklich schöne Szenen dabei in denen man sich in seine eigene Kindheit zurück versetzt fühlt, in der man ebenfalls versuchte sich auf die Geschehnisse der Erwachsenenwelt einen Reim zu machen.

Vielleicht liegt es an dieser besonderen Erzählperspektive, zusammen mit dem guten Gespür des Autors für die Welt der Kinder, dass dieses Buch auf dem schmalen Grad zwischen Betroffenheit, die aber nie ins Pathetische überschwappt und der Schilderung der Umstände , die ich nie als wertend oder richtend empfunden habe, meisterlich balanciert.

Mich hat dieses Buch auf jeden Fall sehr bewegt. Es hat mir sehr gut gefallen und mich an vielen Stellen zum Nachdenken angeregt. Am Ende des Buches habe ich mich gefragt wie meine Sammlung wohl aussehen würde. Ich weiss es immer noch nicht. Ich bin mir allerdings sicher, dass auch ich eine Sammlung beginne.

Tauchferien in Ägypten

Jetzt ist es schon wieder eine ganze Weile her seit dem letzten Eintrag. Das hat aber auch einen Grund. Meine beste Freundin und ich waren eine Woche zum Tauchen in Ägypten. Diesmal hatten wir ein Hotel ganz unten im Süden, nahe der Grenze zum Sudan.

Es war eine total entspannende Ferienwoche mit vielen schönen Tauchgängen. Zwischen den Tauchgängen habe ich viel gelesen. Leider war ich viel zu schnell mit den vier Büchern fertig, die ich nach Ägypten mitgenommen habe. Das passiert mir nicht noch mal ;-). Das nächste Mal werd ich definitiv mehr Bücher mitnehmen.


So entspannt wie diese Woche war ich selten im letzten Jahr und umso schöner war der schöne sonnige Tag heute in Zürich. Auch wenn man merkt, dass in der Schweiz die Uhren schneller gehen als in Ägypten ;-). Die Kunst ist es wohl in einem Umfeld in welchem die Zeit knapp ist, sie ab und zu auch mal zu verschwenden und sich daran zu erfreuen (Wohlgemerkt, der schwierige Teil ist nicht die Zeit zu 'verschwenden' sondern sich daran zu erfreuen ;-)).

Sonntag, 1. April 2007

Genusswochenende

Dieses Wochenende war wieder ein richtiges Lese- und Geniess-Wochenende. Meine beste Freundin (Danke, dass es Dich gibt!!!) und ich waren gestern Morgen wieder auf einer Degu in Birrhard ganz in der Nähe des Flugplatzes von dem aus ich oft zu meinen Flügen aufbreche. Der Weinkeller Riegger ist wirklich gut sortiert und die Degu sehr professionell aufgezogen.
Bei den Rotweinen haben diesmal die Spanier am besten auf unserer Deguliste abgeschlossen (José Pariente DO, Viñas DosVictorias, 2006 / Domino De Longaz, Cariñena DO, Bodegas Victoria, 2005 / Carmelo Rodero Crianza, DO, 2004). Bei den Weissweinen war die Auswahl etwas kleiner und ein Elsässischer Gewürztraminer ging als klarer Sieger hervor (Gewürztraminer d’Alsace AC, Cave Viticole de Kientzheim, 2005). Bei den Süssweinen war die Auswahl schon schwieriger. Es gab gute Franzosen (Château Lafaurie-Peyraguey, 2004 / Château Doisy Védrines, 2004) aber zum Schluss war es dann doch der Avié Moscato Passito DOC, 2004 welcher den Vergleich für sich entschieden hat. Hier gelang es uns auch noch die letzten drei Flaschen, welche sie auf Lager hatten zu ergattern.
Den gestrigen Abend verbrachte ich wieder mal im Starbucks am Bellevue und habe die erste Hälfte von Max Frisch’s „Mein Name sei Gantenbein“ gelesen. Und obwohl die Einfälle, Szenen und Erkenntnisse teilweise sehr zum Denken anregen, hat mich das Buch bisher nicht wirklich fesseln können. Mal schauen ob sich das im Verlaufe noch ändert.
Deshalb habe ich heute Morgen im Bad angefangen „Anleitung zum Unglücklichsein“ von Paul Watzlawick zu lesen. Das Buch hat mich dermassen gefesselt, dass ich erst nach 4h aus dem Bad gestiegen bin. Ich bin zwar erst bis zur Hälfte gekommen, hab aber fast jede Stelle im Buch doppelt gelesen und meine Gedanken dazu geschrieben. Nun ist das Buch voll von Verweisen, Gedanken, eigenen Erfahrungen, und ist damit jetzt mein ganz persönliches Buch ;-). Dieses Buch regt im Übermass zum selbst schreiben an. Und so sitze ich nun (nachdem ich noch kurz schwimmen war um mit etwas Ausgleich zu verschaffen) auf meinem Balkon, habe einen frischen Salat mit selbst gemachter Portwein-Honig Sauce, einen wunderbaren Sangiovese (Il Sasso, Carmignano 2004) und mein MacBook vor mir stehen und schreibe an einer weiteren Kurzgeschichte.