Samstag, 1. Dezember 2007

Gedanken zur Melancholie

In letzter Zeit habe ich einiges an Melancholie in meinem Freundeskreis wahrgenommen und auch ich kenne sie natürlich sehr gut aus den vergangenen Jahren. Stets eine treue Begleiterin, die einen fordert aber nicht überrennt, die einen zwingt sich mit sich selbst zu beschäftigen und die uns somit hilft uns selbst zu erkennen. Grund genug sich Gedanken zu diesem Gefühl zu machen.

Vielleicht lässt sich die Melancholie mit einem Schockzustand vergleichen. Nicht in der Art, wie sie in unser Leben tritt, denn selten überkommt sie uns so plötzlich und unerwartet wie ein Schock. Meist ist die Melancholie viel subtiler. Sie schleicht sich unbemerkt in unser Leben und spricht über lange Zeit oft nur mit ganz leiser Stimme. So leise, dass der Lärm des Alltags ihre Botschaften überdeckt und wir im besten Falle nur erahnen mögen, dass etwas hinter der nächsten Ecke auf uns lauert.

Ich ziehe den Vergleich eher in Bezug auf die Auswirkungen der Melancholie. Eben weil sie so schleichend daher kommt überhören wir sie oft. So beginnt sie zu wachsen und bäumt sich erst kurz bevor sie das Ufer unseres Bewusstseins erreicht meterhoch vor uns auf, so dass wir sie nicht mehr ignorieren können. Dann bricht sie über uns herein und koppelt uns von unserer Umwelt ab; und hier liegt mein Vergleich zu einem Schockzustand. Einmal über uns hereingebrochen lässt die Melancholie all das, dem wir zuvor verschrieben waren, nichtig und klein erscheinen und kapselt uns dadurch in einen Kokon der Emotionen und Gefühle. Eine Hülle, durch die nichts zu uns hindurchzudringen vermag und die uns zwingt uns mit uns selbst zu beschäftigen. Wie der Körper auf physischen Schmerz reagiert und sich in sich zurückzieht, so reagiert unsere Seele auf Verletzungen und zwingt uns dem Menschen in die Augen zu schauen, der wir wirklich, fernab aller Wünsche und Pflichten sind.

Natürlich hätten wir die Wahl gehabt schon auf die kleinen, sanften Stimmen der Melancholie zu hören und ihr rechtzeitig Aufmerksamkeit zu schenken. Doch meistens liegt die Anästhesie des Alltags wie eine grosse Glasglocke über uns (dieses Zitat stammt aus einer meiner Kurzgeschichten) und hält uns von all diesen Gedanken fern. Geboren ist diese Anästhesie des Alltags wohl aus dem Gedanken, dass Leid und Schmerz verabscheuenswürdige Dinge sind. Erst wenn wir Leid und Schmerz als Teil unseres Lebens verstehen und nicht als bedrohliche Metastasen, die so schnell wie möglich entfernt werden müssen - erst dann werden wohl unsere Ohren fein genug sein um die leisen Stimmen der Melancholie, des Wächters unserer Seele, zu vernehmen und uns selbst ein Stück näher kommen.

1 Kommentar:

Duende hat gesagt…

Für mich ist die Melancholie das Sprachrohr meiner Seele geworden. Sie kann sich nur sehr schwer Gehör verschaffen in unser hektischen und körperlichen Zeit, weil die meisten von uns den Zugang zu ihr verloren haben. Wie ein Baby, das auch nur durch Schreien auf einen Misstand aufmerksam machen kann, schreit auch die Seele erst sachte (z.B. in Form von Melancholie) und dann immer lauter und körperlicher, bis man sie endlich wahrnimmt und sich um sie kümmert.