Samstag, 4. August 2007

Baudelaire - Jean-Paul Sartre

Wer hat sie nicht schon gelesen, oder zumindest von ihr gehört, der morbiden Kunst von Charles Baudelaire. Bis heute verband ich sein Hauptwerk 'Les Fleurs du Mal' mit einem Baudelaire, der sich als Dandy und Bohème der späten Romantik auszeichnete. Umso mehr hat mich Sartres existentielle Psychoanalyse Baudelaires interessiert und fasziniert,

In diesem Buch spricht Sartre dem Leben Baudelaires jeglichen Determinismus und Schicksal ab. In vielen Details und Beispielen entwickelt er ein Psychogramm eines Baudelaires, der seiner Schicksalsschläge eigener Herr und Dirigent war. In vielen Teilen des Buches klingt Sartres Analyse auch sehr plausibel und nachvollziehbar. Mit dem festen Willen seine existentialistische Theorie an Baudelaire zu manifestieren, geht Sartre allerdings sehr weit.

Wie genau jedoch Sartres Psychoanalyse auf das historische Leben Baudelaires zutreffen mag, ist aus meiner Sicht überhaupt nicht relevant, denn Baudelaire steht hier als Vertreter eines bestimmten (und zugegebenermassen, sehr extremen) Menschentypus. Einen Menschentypus, der viele, über unsere Bevölkerung verstreute, Eigenschaften in sich vereint. So wird jeder Leser wohl einzelne Verhaltensweisen, Angewohnheiten oder Sichtweisen bei sich selbst entdecken und durch die Sichtweise Sartres einen Blick aus einer neuen Perspektive auf sich selbst richten können.

Worauf basiert nun der Grossteil Sartres Deutung? So sehr wir uns alle (zumindest vordergründig) die Freiheit wünschen, so sehr ist sie auch ein zweischneidiges Schwert. Während sie uns Bewegungsraum und Potential zur Verfügung stellt uns zu entwickeln, so beraubt sie uns gleichzeitig der Sicherheit, Geborgenheit und Stabilität, die wir ebenfalls zum Leben benötigen. Es ist genau dieser Gegensatz, den Baudelaire nach Sartres Meinung nicht hinnehmen wollte. So versuchte Baudelaire beide Welten, die der Freiheit, wie auch die der Geborgenheit, aufs vollste auszukosten. Exemplarisch hierfür stehen folgende Zitate:

„Das Schöpferische ist jedoch reine Freiheit; nichts geht ihm voraus, es beginnt mit der Erschaffung seiner eigenen Prinzipien, es erfindet vor allem sein eigenes Ziel. Dadurch hat das Schöpferische teil an der Unverbindlichkeit des Bewußtseins. Es ist diese gewollte, immer wieder überdachte, zum Ziel erhobene Unverbindlichkeit. Und eben dies erklärt Baudelairs Liebe zum Künstlerischen.“

und

„Das Kind hält seine Eltern für Götter. Ihre Taten und ihre Urteile sind absolute Größen; sie verkörpern die Weltvernunft, das Gesetz, den Sinn und das Ziel der Welt. Wenn diese göttlichen Wesen ihm ihren Blick zuwenden, so rechtfertigt dieser Blick das Kind bis ins Innerste seines Daseins; er verleiht ihm ein fest umrissenes und geheiligtes Wesen: da die Eltern sich nicht irren können, ist das Kind so, wie sie es sehen. [...] Baudelaire hat stets an diese grünen Paradiese der kindlichen Liebe zurückgedacht. Er hat das Genie definiert als »die absichtlich wiedergefundene Kindheit«.“

Da dieser Gegensatz wohl in uns allen in der einen oder anderen Form existent ist (wenn auch nicht unbedingt so pathologisch ausgeprägt wie bei Baudelaire), kann ich mir gut vorstellen, dass dieser Text viele Leser zum Nachdenken anregen wird und uns, wie oben beschrieben, teilweise eine neue Sichtweise auf uns selbst eröffnen wird. Abschliessen möchte ich diesen Blogeintrag aber mit einem Zitat, das mich sehr zum Nachdenken angeregt hat:

„Das Gesetz der Einsamkeit könnte man auch so ausdrücken: kein Mensch kann die Aufgabe, seine Existenz zu rechtfertigen, auf andere abwälzen. Und gerade das ist es, was Baudelaire erschreckt.“

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