Donnerstag, 4. Januar 2024

Ein ganzes Leben - Robert Seethaler

 

Mit 4 Jahren kommt Andreas Egger als Waisenjunge in das kleine Bergdorf, in welchem er 75 Jahre später, im Alter von 79 Jahren, sterben wird. Verlassen hat er das Dorf nur einmal, um in den Krieg zu ziehen und um 8 Jahre später aus der Gefangenschaft zurückzukehren. Zwischen diesen Eckpunkten gibt uns dieses Buch von Robert Seethaler viele leise und unspektakuläre Eindrücke aus dem Leben von Andreas Egger. Manchmal sind es auch spektakuläre Eindrücke - Diese werden aber ebenso leise und unprätentiös erzählt, so dass die sich daraus ergebende Diskrepanz den lakonischen Charakter von Andreas Egger zum Greifen nahebringt.

 

Es ist ein einfaches Leben, dem Egger sich hingibt. Es sind nicht Ziele oder Visionen, in denen er sich verwirklichen will, sondern es ist einfach das Leben selbst, das gelebt werden will, so wie es sich ihm gerade darbietet. Mit stoischer Gelassenheit erfährt er Schicksalsschläge, wie auch grosse Momente des Glücks gleichermassen. Und genau so beschreibt Seethaler auch die letzten Momente dieses Lebens:

 

«Er spürte einen hellen Schmerz in seiner Brust und sah zu, wie sein Oberkörper langsam nach vorne sank und sein Kopf mit der Wange auf der Tischplatte zu liegen kam. Er hörte sein eigenes Herz. Und er lauschte der Stille, als es zu schlagen aufhörte. Geduldig wartete er auf den nächsten Herzschlag. Und als keiner mehr kam, liess er los und starb.»

 

Mich hat diese Art sein Leben zu leben auf eine komische Art und Weise beeindruckt. Es ist wohl am ehesten eine Art der Bewunderung, vermischt mit und zugleich einem völligen Unverständnis mit welch geringen emotionalen Amplituden das Leben von Andreas Egger sich entfaltet. Die stoische Gelassenheit, die völlige Absenz von Dramatik einerseits wie auch überschwänglicher Freude andererseits. Irgendwie bin ich fasziniert von dieser Einfachheit und Gelassenheit dem Leben zu begegnen. Immer mal wieder schleicht sich beim Lesen ein neidischer Gedanke ins Bewusstsein. Nur um auf dessen Versen von der Erkenntnis gefolgt zu sein, nie ein solches Leben selbst führen zu können und, auf den zweiten Blick auch nicht führen zu wollen. 


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