Dienstag, 28. April 2009

Das empathische Gehirn – Nadia Zaboura

In letzter Zeit ist mir das Thema Spiegelneuronen immer wieder mal über den Weg gelaufen. Grund genug also, sich damit eingehender zu beschäftigen. Nach kurzer Amazon-Recherche habe ich dann ‘Das empathische Gehirn’ von Nadia Zaboura sowie ‘Empathie und Spiegelneurone’ von Giacomo Rizzolatti, einem der Entdecker der Spiegelneuronen bestellt.

Nun aber zum eigentlichen Buch. In neun Kapiteln erläutert Nadia Zaboura, wie die Spiegelneuronen ihrer Meinung nach die Grundlage für intersubjektives Verständnis, Empathie und menschliche Kommunikation schaffen. Nach einer kurzen Einleitung ‘Menschlichkeit: Ein geistiges oder biologisches Phänomen’, welche bereits ganz am Anfang des Buches auf die Dichotomie hinweist, in welche die derzeitige Forschergemeinde verfallen zu sein scheint (mehr dazu später), folgen drei historisch motivierte Kapitel, welche von Descartes über Husserl bis Merleau-Ponty reichen und reichlich Einblick in den geschichtlichen Werdegang der Leib-Seele Debatte geben.

Das fünfte Kapitel gibt dann in eher faktenorientierter Art und Weise die wichtigsten Erkenntnisse aus der Spiegelneuronenforschung wieder und dient somit als Basis für die letzten vier Kapitel, welche diese Erkenntnisse aus einem sozialwissenschaftlichen Fokus diskutieren und wohl das eigentliche Anliegen des Buches darstellen.

Neben den vielen Fakten und Anregungen zu neuen Gedanken, die mir dieses Buch gegeben hat, bin ich aber vor Allem erstaunt über die bereits oben angesprochene Dichotomie der Publikationen, welche man in diesem Forschungsgebiet und eben auch in diesem Buch findet. Während des Lesens hatte ich des Öfteren das Gefühl, dass sie Autorin sich auf emotionaler Ebene sehr stark dem humanistischen Gedankengut verbunden fühlt und aus dieser Sicht heraus das Gedankengut anderer Neurowissenschaftler wie Singer und Roth (auf die sie sich des Öfteren zu beziehen scheint, ohne sie jedoch zu nennen) als gefährlich und unterminierend empfindet. Eine Haltung, die mich als Physiker stellenweise an die Welle-Teilchen-Dualismus-Debatte erinnert, welche erst in der Quantenmechanik des 20. Jahrhunderts ihre Auflösung fand.

Zugegebenermassen sind die Neurowissenschaften ein mir relativ neues Gebiet, doch nach all dem, was ich gelesen habe scheint mir, dass Singer als wohl populärster Vertreter des ‚neurologischen Determinismus’ sich in seinen Betrachtungen hauptsächlich auf ‚Stimulus-Response’ Betrachtungsweisen fokussiert (da diese experimentell direkt messbar sind), während die Vertreter des ‚freien Willens’ vorwiegend auf längeren zeitlichen Abschnitten, wie etwa der Ontogenese oder gar der Phylogenese argumentieren. So gesehen, zwängt sich für den Physiker wieder die Analogie zur Quantenmechanik auf, denn die Newton’schen Gesetze, welche unsere alltägliche Erfahrungswelt in den zeitlich relativ langen Massstäben gut beschreibt und welche wir aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte auch als intuitiv eingängig erachten (als Parallele zum Humanismus), geht als Spezialfall für makroskopische Systeme aus der Quantenmechanik hervor, ohne diese zu konkurrenzieren.

Dies scheint mir in gewisser Weise auch der Fall in den Neurowissenschaften zu sein, denn jede der beiden Orientierungen scheint in ihrem eigenen Wirkungsbereich erstaunlich gute und vor Allem belegbare und reproduzierbare Deutungen und Vorhersagen hervorzubringen. Es ist lediglich der Phasenübergang zwischen diesen beiden Wirkungsbereichen, welcher sich weder aus der Einen, noch der Anderen Theorie ergibt. Analog der Entstehungsgeschichte der Quantenmechanik könnten wir daraus schliessen, dass die Erkenntnis über eben diesen Phasenübergang nicht durch das Ausdehnen einer Phase (oder eben einer Ideologie) auf Kosten der Anderen entstehen kann. Vielmehr geht es um das Abstrahieren des derzeitigen Zustandes aus dessen Destillat sich beide Ideologien als Spezialfälle ergeben. Anders ausgedrückt geht es um die übergeordnete epistemologische Instanz.

Alles in Allem, um noch einmal auf das Buch zurück zu kommen, war es jedoch interessant sich seinen Gedanken und Sichtweisen hinzugeben und diese aufzunehmen, auch wenn es stellenweise in Hinblick auf Sprachgebrauch und Komplexität recht anfordernd war.


Keine Kommentare: