Montag, 24. März 2008

Der Prophet – Khalil Gibran

Vor ungefähr zwei Jahren habe ich diese wunderschöne Ausgabe des Propheten von Khalil Gibran in einem Buchladen gefunden. Allein schon das Cover und die Aufmachung des Buches finde ich sehr gelungen und die vielen Bilder im Inneren von Alexander Jeanmaire, welche den Text illustrieren, tragen das ihrige dazu bei dieses Buch zu einem wahren Genuss zu machen.

Und als ich heute wieder einmal vor meinem Bücherregal stand und in dem Fach in welchem meine Bücher stehen, die noch darauf warten gelesen zu werden nichts Passendes gefunden habe, erinnerte ich mich an letzten Freitag als ich zum Abendessen eingeladen war. Dort kamen wir unter Anderem auch auf Gibrans Propheten zu sprechen und genau dieses Buch war es dann auch, welches ich aus einem der anderen Fächer holte und mich damit in mein Bett zurückzog.

Den Rahmen der Geschichte bilden die letzten Momente vor der Abreise Al-Mustafas, welcher Jahre lang mit den Bewohnern des Dorfes Orfalîs zusammen gelebt hatte. Zwölf Jahre lang, in denen er sich wünschte, dass ein Schiff in den Hafen der Insel einlaufen würde, welches ihn wieder zurück in das Land seiner Geburt brächte. Doch als es nach zwölf Jahren schlussendlich soweit war und besagtes Schiff im Hafen vor Anker lag, beschlich ihn die Wehmut und gleichermassen war das Volk des Dorfes von seinem kommenden Abschied ergriffen. Und wäre es nicht an Al-Mitra (der ersten Person, die ihn vor zwölf Jahren im Dorf willkommen hiess) gewesen ihn zu bitten vor seiner Abreise noch zu den versammelten Bewohnern des Dorfes zu sprechen, so wäre er alleine mit seinem Schmerz der Trennung dahin gezogen.

In den folgenden Abschnitten geben die Dorfbewohner immer wieder Stichworte in form von kurzen Fragen, die sie an Al-Mustafa richten. Fragen, die er in kleinen Geschichten und Gleichnissen wie im folgenden Beispiel aufgreift und beantwortet:

„Dann sagte eine Frau: Sprich zu uns von der Freude und vom Leid,
Und er antwortete:
Eure Freude ist euer entschleiertes Leid.
Und derselbe Brunnen, dem euer Lachen entsteigt, war oftmals mit euren Tränen gefüllt.
Und wie könnte es auch anders sein?
Je tiefer sich jenes Leid in euer Wesen gräbt, desto mehr Freude könnt ihr fassen. Ist nicht der Becher, der euren Wein enthält, derselbe Becher, der im Töpferofen glühte?
Und ist nicht die Laute, die eure Seele erfreut, eben das Holz, das Messerklingen höhlten?
Wenn ihr glücklich seid, blickt tief in eher Herz, und ihr werdet erkennen, dass gerade das, was euch leiden ließ, euch jetzt Freude schenkt.
Wenn ihr bekümmert seid, blickt abermals in euer Herz, und ihr werdet sehen, dass ihr in Wahrheit über das weint, was zuvor eure Freude war.“


Dabei verfällt Gibran nie in Moralisierende oder gar wertende Töne. Geprägt durch seine Biographie, welche im Grenzland zwischen Syrien und dem Libanon begann, ihn als Kind maronitischer Christen im Libanon aufwachsen lies und ihn zeitlebens mit der Gemeinsamkeit der Religionen konfrontierte, beleuchtet Gibran in ‚Der Prophet’ stets das ganze Spektrum der Begriffe, die in der westlichen Welt oft als gegenteilig wahrgenommen werden. Auf philosophisch dialektische Art und Weise verbindet Gibran diese Pole und erschafft damit ein neues Verständnis für die eigentlichen menschlichen Themen, welche sich hinter diesen vermeintlich diametralen Begriffen verbergen.

„Eure Seele ist oft ein Schlachtfeld, auf dem eure Vernunft und eure Urteilskraft eure Leidenschaft und euer Verlangen bekämpfen. […]
Eure Vernunft und eure Leidenschaft sind das Ruder und die Segel eures Seelen-Schiffes.
Büßt ihr Segel oder Ruder ein, werdet ihr zu einem Spielball des Windes, oder aber ihr schaukelt antriebslos auf den Wellen.
Denn die Vernunft ist, herrscht sie allein, eine hemmende Kraft; und die Leidenschaft ist, unbeaufsichtigt, eine Flamme, die an sich selbst verbrennt.
Lasst deshalb eure Seele eure Vernunft zu den Gipfeln der Leidenschaft steigern, dass sie zu Begeisterung werde;
Und lasst sie eure Leidenschaft durch die Vernunft lenken, dass eure Leidenschaft ihre tägliche Auferstehung erlebe und wie der Phönix der eigenen Asche entsteige.“


Der Prophet ist ein Buch, welches man sehr oft lesen kann und welches jedes Mal wieder aufs Neue Ideen und Anregungen für uns selbst in Bezug auf unsere derzeitige Lebenslage birgt. Mir gefällt es sehr gut und so werde ich es vermutlich auch noch an einige Personen, die mir etwas bedeuten, verschenken und noch viele Male mehr selbst darin lesen. Zum Schluss einfach noch unkommentiert zwei Zitate, welche mir ebenfalls aufgefallen sind. Vielleicht sind sie ja auch symptomatisch für den Moment in welchem ich das Buch gelesen habe:

„Und ihr habt gesagt: »Er hält Rat mit den Bäumen des Waldes, mit den Menschen aber nicht.
Er sitzt allein auf Gipfeln und blickt auf unsere Stadt herab.«
Es ist wahr, dass ich die Hügel erstiegen und entlegene Orte gesucht habe.
Wie hätte ich euch sehen können, wenn nicht aus großer Höhe und großer Entfernung?
Wie kann jemand wirklich nah sein, außer er ist fern?“


„Den Schleier, der eure Augen verhüllt, werden dieselben Hände heben, die ihn einst woben,
Und den Lehm, der eure Ohren verstopft, werden die Finger durchstoßen, die ihn geknetet.
Und ihr werdet sehen,
Und ihr werdet hören,
Dennoch werdet Ihr nicht bedauern, die Blindheit gekannt zu haben noch euch beklagen, taub gewesen zu sein.
Denn an diesem Tag werdet ihr den verborgenen Sinn aller Dinge wissen,
Und ihr werdet die Dunkelheit nicht weniger segnen als das Licht.“

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