Freitag, 8. August 2008

Tau von den Bermudas – Peter Sloterdijk

Eigentlich ist dies das zweite Buch von Sloterdijk, welches ich in letzter Zeit gelesen habe. In einer Philosophiesendung habe ich neulich ein Interview mit Sloterdijk gesehen, in welchem er über sein Buch „Gottes Eifer: Vom Kampf der drei Monotheismen“ sprach. Dieses Buch habe ich daraufhin gelesen, bin aber einfach noch nicht zum Blogeintrag dazu gekommen, da ich das Buch als relativ komplex und anfordernd empfunden habe und die Zusammenfassung somit einfach mehr Zeit in Anspruch nimmt.

In der Einleitung zu „Tau von den Bermudas“ greift Slolterdijk den von Carl Schmitt geprägten Begriff des „Zeitalters der Neutralisierung“ auf, indem er sich fragt, wie das Zeitalter, in welchem wir leben, wohl aus einer historischen Perspektive genannt werden würde. Doch während der Trend zur Entpolarisierung, Zweideutigkeit oder Anerkennung der Komplexität und damit verbundenen teilweisen Absenz von allgemeingültigen Handlungsvorschriften von Carl Schmitt als „Untergang des Abendlandes“ gedeutet wurde, sieht Sloterdijk darin eher emotionslos den Wechsel hin zu neuen Paradigmen, welche die heutige Welt regieren. Im letzten Kapitel des Buches leitet Sloterdijk dies auch überzeugend auf die den derzeitigen Zeitgeist über, welcher immer stärker von Information als knappem Gut hin zur Aufmerksamkeit und Aufnahmefähigkeit als knappes gut steuert (wer soll denn all diese kuriosen Blogeinträge noch lesen ;-) ).

„Sie wissen es längst, meine Damen und Herren, ich spreche vor allem von Carl Schmitt, dem letzten Samurai der Entschiedenheit für das Eine von Zweien. [...] Für Liebhaber klarer Verhältnisse ist diese Welt längst unrettbar krank, wie von einem Pilz befallen, der Konturen tilgt. Selbst die erhabensten Begriffsgegensätze von früher sind amorph geworden [...] Die Orientierung am Feind verfällt, wir bleiben in der Mehrdeutigkeit allein zurück, ratlos.“

Parallel weißt Sloterdijk jedoch auch darauf hin, dass für diese neue Strömung in unserer Denkensweise und unserem Sprachgebrauch nur unzureichende Grammatiken vorhanden sind um adäquate Beschreibungen zu finden.

„Wie leben in einer logischen Dämmerung, irgendwo zwischen spätaristotelisch und frühkomplex, aber das neue Denken hat bislang weder Autorität noch Kontur, weswegen wir bei allen unseren theoretischen Unternehmungen zum Unbehagen verurteilt sind, weil offenliegt, wie sehr wir mit jedem Gedanken in antithetische Primitivismen verstrickt bleiben.“

In den folgenden Kapiteln beschreibt Sloterdijk die Ontogenese von fünf Stadien der Weltgeschichte in Hinblick auf das Zusammenwirken von Phantasie und gewachsener Realität. Es sind dies:

1. Das Weltalter des Mythos
2. Die Ära der christlichen Einbildungskraft
3. Der phantasmatische Motor der Neuzeit
4. Die komplementäre Poetik der Reduktion und Verarmung
5. Der Übergang der neuzeitlichen Expansionskultur in die posthistorische Kombinationskultur

Anhand historischer Dokumente, welche den Zeitgeist der betreffenden Epoche widerspiegeln, deutet Sloterdijk an, was der Menschheit alles möglich umzusetzen war dank Kraft der Phantasie als Batterie des Fortschrittmotors. In bestechender Sprache und wirklich geistreich beschreibenden Analogien regt dieses Buch mehr an sich selbst Gedanken über die Thematik des Komplexen zu machen als einfach nur erfahren zu wollen, was der Autor darüber denkt. Natürlich war es auch interessant, wie Sloterdijk die Phänomene sieht, doch wie oft habe ich das Buch nach nur ein paar Sätzen zur Seite gelegt und bin meinen Gedanken gefolgt, die durch dieses Buch auf den Weg geschickt wurden. Selten kommt es vor, dass ich ein Buch nachdem ich es gelesen habe gleich noch mal gelesen habe, doch dieses Buch war es auf alle Fälle wert mehrmals zu lesen.

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