Sonntag, 27. Juli 2008

Tango - Ralf Sartori und Petra Steidl

In letzter Zeit habe ich mich vermehrt mit dem Tango beschäftigt. Dies zwar nur auf ‚theoretische’ Art, aber ab nächstem Monat ist wieder ein Tangokurs angesagt. Seit April diesen Jahres, als ich meinen ersten Tangokurs belegt hatte, fasziniert mich dieser Tanz und ich war immer wieder erstaunt als Bekannte, mit denen ich mich über Tango unterhalten habe, diesen Tanz als künstlich oder überstilisiert bezeichneten, denn das trifft in keinster Weise das, was ich dabei empfinde.

Das Buch ‚Tango, die einende Kraft des tanzenden Eros’ von Ralf Sartori und Petra Steidl ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil ‚Der Tanz des Lebens’ wird der Tango aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Es geht hierbei jedoch nicht um die Technik des Tangotanzens, sondern dessen Entstehung, seiner Renaissance durch den re-import aus dem Paris der 30er Jahre nach Buenos Aires, seine Einbettung in die heutige Zeit und all die verbundenen philosophischen Aspekte, welche sich dadurch erschliessen.

Viele Themen kreisen um den männlichen und weiblichen Aspekt des Tangos, das damit verbundene Menschenbild, sowie die Effekte der Emanzipation der vergangenen Jahrzehnte auf die Seele des Tangos.

„Der Tango thematisiert uns selbst auf der Beziehungsebene, im Wesen, Persönlichkeit und Beziehungsverhalten. Er ist sowohl Spiegel wie auch Symbol in Bewegung. Im symbiotischen Verschmelzen drücken sich Regression und Identitätsverlust aus. Das Ideal im Tango weist jedoch in eine andere Richtung, nämlich die Identität im Du zu finden, welche einen Gegenpol zu diesem Du formt. Dies ist bekanntermaßen auch die wirksamste Methode, die Anziehung aufrechtzuerhalten.“

Ein ebenfalls ausgiebig besprochenes Thema ist die strikte Aufteilung zwischen führen und führen lassen, die im Tango sehr ausgeprägt ist und oftmals aus mangelnder Kenntnis heraus als Reminiszenz eines vergangenen, nicht-emanzipierten Zeitalters empfunden wird. Deutlich zeigt dieses Buch auf, dass das Führen des Mannes mehr mit dem Gespür für die Partnerin als mit partriarchalischen Strukturen zu tun hat.

Alles in Allem werden im ersten Teil sehr viele Parallelen zwischen dem Tanz und dessen Philosophie und unserem alltäglichen Leben gezogen. Hierbei sind mir viele Punkte in bleibender Erinnerung geblieben und ich verstehe nun etwas besser, warum mich der Tango so angesprochen hat.

Im zweiten Teil des Buches, welcher aus der Feder von Petra Steidl stammt, verliert der Tango aus meiner Sicht den zentralen Standpunkt und es geht in vermehrt transzendenter Weise um das Thema Eros und seinen Variationen. Natürlich ist auch hier der Bezug zum Tango deutlich. Doch so feingliedrig, wie das Thema Eros aufgenommen wird, hätte ich mir mehr Bezugspunkte und Verbindungen auf tiefer liegenden Ebenen zum eigentlichen Titel und Thema dieses Buches gewünscht.

„Wie kann man schenken, wenn man sich selbst auslöscht, wie nehmen, wenn man als Empfänger nicht mehr zugegen ist? Hingabe setzt die Bereitschaft voraus, die Mauern des eigenen Eros zu durchbrechen, um überhaupt in fremdes Leben hinüberlauschen, -fühlen, -lieben zu können. Hingabe meint, von den Mechanismen, den Trieben, den Wunschvorstellungen und Forderungen, den zwanghaft selbst erbauten Welt-, Denk- und Gefühlsmustern loszulassen, um sich auf die Liebe einlassen zu können, die in ihrer Fülle, ihren Möglichkeiten voller Unvorhersehbarkeiten ist und zahlreiche Überraschungen bereithält.“

Im dritten und kürzesten Teil des Buches findet man auf 22 Seiten einen kurzen Abriss über die Geschichte der Technik des Tangos. Dieser technischere Teil fällt für mich irgendwie aus dem Rahmen des Buches heraus und ist wohl eher als Einleitung (und Motivation) für ein anderes Buch, welches einer der Autoren veröffentlicht hat, zu verstehen.

Alles in Allem hat mir dieses Buch sehr gut gefallen und neben konkreten Dingen über den Tango habe ich auch wieder mal sehr viel über mich selbst erfahren. Schliessen möchte ich diesen Blogeintrag mit einem weiteren schönen Zitat aus dem Buch.

„Ist nicht die Leidenschaft Tochter der Sehnsucht, Kind eines kranken Herzens, das sich nach Berührung und Nähe verzehrt? Im Tango drückt sich der höhere Eros, wie auch der niedere aus. Letztlich orientiert sich die Sehnsucht im Tanz am Geist des Tänzers [...] Da sind wir also wieder bei der Leidenschaft. Tango drückt sie aus und stachelt sie an. Er ist das Gefäß für unsere Leidenschaft und schafft Raum, sie behutsam im Dialog miteinander als freies Ritual zu leben. Doch vergessen wir nicht, dass diese Art von Leidenschaft noch nicht der Gipfel des hohen Eros ist. Denn dieser Gipfel speist sich niemals aus Mangel, sondern aus der Fülle.“

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Deine Beschreibung des Buches und Deine Zitate zum Tango haben mich in einer Zeit grosser Sehnsucht erreicht.

Danke Oliver