Dienstag, 3. Juni 2008

Logotherapie und Existenzanalyse – Viktor Frankl

Heute habe ich fast den ganzen Tag damit verbracht vier Vorlesungen von Viktor Frankl über Logotherapie und Existenzanalyse anzuhören, mir die wichtigsten Erkenntnisse herauszuziehen und meine eigenen Gedanken dazu zu machen. Somit blieb nur wenig Zeit für die restlichen Dinge des Lebens aber immerhin habe ich meine komplette Wäsche gemacht sowie die Wohnung aufgeräumt. Eigentlich eine sehr gute Mischung an Tätigkeiten um glücklich zu sein ;-)

Die Vorlesungen stammen aus der Universität in Wien, wo Frankl sie 1972 gehalten hat. Sie sind also schon etwas älteren Datums und doch fand ich sie an vielen Stellen erstaunlich passend zum Zeitgeist unserer Jahre. Kurz umrissen sieht Frankl die Logotherapie und die Existenzanalyse als zwei Aspekte eines gemeinschaftlichen Systems. Während die Existenzanalyse die anthropologische Grundlage sowie das dazugehörige Menschenbild für die Logotherapie bildet, ist die Logotherapie selbst als die klinische Anwendung der Existenzanalyse zu verstehen. Aufbauend auf den drei anthropologischen Grundannahmen der Existenzanalyse

1) Freiheit des Willens
2) Wille zum Sinn
3) Sinn des Lebens

beschreibt Frankl die Kerngedanken der Existenzanalyse und kontrastiert deren klinische Anwendung in Form der Logotherapie zu anderen etablierten Therapieformen.

So sieht Frankl zum Beispiel im Kontrast zu den Verhaltenstherapeutischen und Analytischen Ansätzen in dem Postulat der Freiheit des Willens, die Möglichkeit eines Individuums sich von sich selbst zu distanzieren oder sich sogar selbst zu transzendieren. Dies steht in klarem Widerspruch zu den oben genannten klassischen Sichtweisen der Psychotherapie, denn diese postulieren diverse deterministische Triebkräfte, denen der Mensch ausgeliefert ist und durch sie determiniert ist (i.e. Freudsches Lustprinzip).

Der Wille zum Sinn hingegen steht für Frankl in klarem Widerspruch zum alt hergebrachten Homöostaseprinzip, nach dem der Mensch versucht seine inneren Bedürfnisse und Triebe zu befriedigen um ein inneres Gleichgewicht herzustellen. Ganz im Gegensatz hierzu geht es bei Frankl um die Überwindung der Homöostase als Mittel zur Ergründung des Sinn im Leben.

Weiterhin zieht Frankl gegen den modernen Reduktionismus ins Feld. Einem Reduktionismus, der das Mensch-Sein auf Basis der Primaten erklärt, der Liebe auf Sexualität reduziert oder das Gewissen auf eine unzugängliche Instanz genannt das Über-Ich verkümmern lässt. Die Rückführung auf sub-humane Identitäten, die wir mit unseren tierischen Vorfahren teilen, bewirkt nämlich genau die Leugnung des Sinnes, denn es gilt als allgemein anerkannt, dass Tiere weder ein Verständnis für Sinn haben, noch nach ihm streben. Folglich sind eben jene sub-humane Identitäten ungeeignet das Mensch-Sein zu ergründen. Ein dennoch striktes Beharren auf den Reduktionistischen Grundideen führt nach Frankl automatisch zur Leugnung des Sinns des Lebens und ist ein heute weit verbreitetes Symptom verschiedenster Gesellschaften verteilt über die ganze Welt.

Wenn wir Freiheit des Willens postulieren und den Willen zum Sinn annehmen, so wäre es nahezu sadistisch den Sinn des Lebens selbst in Frage zu stellen. Auf der Suche nach diesem Sinn postuliert Frankl drei grundsätzliche Arten der Sinnfindung:

1) Schöpferische Werte
2) Erlebniswerte
3) Einstellungswerte

Während es sinngebend sein kann schöpferisch tätig zu sein und Werte zu erschaffen, so ist es nach Frankl ebenso sinngebend, diese werke zu erleben und zu erfahren. So kann zum Beispiel das Betrachten eines schönen Kunstwerkes, die Suche nach der allumfassenden Weltformel in der Wissenschaft, sowie der Glaube an das Gute im Menschen sinnstiftend sein. Der dritte und letzte Punkt der Sinngebenden Werte taucht an vielen Stellen der vier Vorlesungen wieder auf und ist mit grosser Sicherheit in Frankls eigener Biographie begründet. Als Überlebender des Holocaust postuliert Frankl Sinn in der Art und Weise wie wir mit Schicksalsschlägen umgehen. So gibt es für Frankl kein grösseres Sinnstiftendes Prinzip als Zeugenschaft für die menschliche Potentialität abzulegen. Hierfür führt Frankl diverse Beispiele aus Extremsituationen an.

Im Anschluss erläutert Frankl die beiden Grund-Techniken der Logotherapie

1) Re-Reflexion
2) Paradoxe Intention

Und untermalt diese in vielfältigen Beispielen aus seiner, wie auch der Erfahrung anderer Psychologen.

Ich könnte wohl noch viel zu dieser Vorlesung schreiben, doch ist das nicht der Sinn des Blogs alles (reduktionistisch ;-) ) wahrheitsgetreu wiederzugeben. Vielmehr soll dieser Blogeintrag auf das Thema hinweisen und Lust und Neugier wecken sich ebenfalls mit diesen Themen zu beschäftigen, denn sie sind aus meiner Sicht hoch spannend und berühren einen der konkret wichtigsten und doch transzendentesten Pfeiler in meinem Leben, den Sinn. Für alle Sinn- und Glücks-Sucher sehr zu empfehlen ;-)

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