Samstag, 27. Oktober 2007

Zündels Abgang – Markus Werner

Nun ist es schon eine halbe Ewigkeit her, dass ich einen Blogeintrag geschrieben habe. Ich hatte auch in letzter Zeit so gut wie keine Ruhe zum Lesen. Neben Job und Fliegen war ich viel Tauchen und habe mich sehr viel mit Freunden getroffen. Aber ich merke, wie mich die Bücher wieder anziehen nach einer so langen Zeit ohne sie ;-).

Von Markus Werner habe ich zwar früher schon einiges gelesen, eines seiner bekanntesten Bücher ist mir allerdings bis heute erhalten geblieben. In 'Zündels Abgang' erzählt Viktor Busch, ein Freund des Protagonisten Konrad (Koni) Zündel basierend auf dessen Aufzeichnungen, die letzten Wochen im Leben des Konrad Zündel.

Konrad ist Mitte dreissig, Lehrer und hat einen Hang zum Pessimismus. Er ist aber auch sehr feinfühlig und macht sich viele Gedanken über das Leben und seine Rolle in Diesem. Zündels Dilemma könnte man folgendermassen beschreiben: Er besitzt einen feinen und zerbrechlichen Charakter, jedoch nicht das Selbstverständnis, die von aussen an ihn herangetragenen Erwartungen wie 'hart zu sein' oder 'Erfolg zu haben' für sich selbst abzulehnen. So lebt er stets in dieser Dychotomie, in der er sich immer tiefer verstrickt je mehr er versucht ihr zu entrinnen.

Das Produkt dieses dychotomischen Kampfes sind wunderbare Betrachtungen Zündels Lebens, die beim Leser selbst immer wieder Anknüpfungspunkte an das eigene Leben wach werden lassen. Anknüpfungspunkte, die uns zwar meist vom Verstand her bekannt sind, die aber einerseits schön beschrieben sind und uns andererseits eben doch noch einmal zum Denken und Fühlen anregen.

"Und nur schärfer wurde sein Schmerz, als er innewurde, daß der verhängnisvollste, wenn auch begreiflichste aller Fehler darin besteht, einen geliebten Menschen zum alleinigen Sinnspender zu erheben. - Freilich, als Trivialtheorie war diese Einsicht ihm längst geläufig, doch was für Welten trennen das Gewußte vom leibhaft und überfallartig Gefühlten!"

Dies hat mich natürlich an Sartres Gesetz der Einsamkeit erinnert. Speziell jedoch der zweite Teil des Zitates hat es mir angetan, denn ich kenne das Gefühl nur zu gut, dass man plötzlich Dinge entdeckt, die man rein faktisch schon lange zuvor gekannt hatte. Doch auf ein Mal machen sie plötzlich Sinn, der Bauch versteht sie. Dies ist ein wunderbares Gefühl und dieses Zitat hat es erneut in mir wach werden lassen.

Ein weiteres Zitat, welches Zündels Lage relativ gut beschreibt ist:

"Eines bleibt sicher: Wer nicht bereit ist, stumm und spurlos durchs Leben zu huschen, ist ein geltungssüchtiger Schmutzfink. Ende.
P.S. Auf die raffinierteste Weise wichtig macht sich der Schweigende."


Denn Zündel lebt in solchen Komplexitäten und baut sich somit selbst ein Gefängnis welches ihm die Last der Freiheit, nämlich die Möglichkeit zu scheitern, vorenthält.

Zum Schluss füge ich einfach noch zwei weitere schöne Zitate aus dem Buch kommentarlos an:

"Tina Bar, 11.7. Das neue Wörterbuch. Eine Handreichung für mich und andere Nachzügler. Erster Teil. - Einzuprägen: Eigensucht heißt jetzt Selbstentfaltung. Rücksichtnahme heißt Spontaneität. Rohheit heißt Freimut. Treulosigkeit heißt Spontaneität. Charakterlosigkeit heißt Aufgeschlossenheit für alles Neue. Hohlheit heißt Empfänglichkeit. Das Unvermögen, alleine zu sein, heißt kommunikative Kompetenz."

"Nach einer Weile sagte er: Solche Eltern gehören ausgepeitscht! - Nein! sagte sie. - Doch! sagte er. - Nein sagte Sie, alle Eltern gehören ausgepeitscht, denn alle machen alles falsch! Aber da die meisten Menschen für die Fehler ihrer Eltern dankbar sind, weil diese Fehler die eigenen Fehler entschuldigen, gehören die Eltern doch nicht ausgepeitscht. Voilà. Und nun willst du also mit mir schlafen?"

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