Mittwoch, 19. November 2008

Die Unendliche Geschichte – Michael Ende

Inspiriert durch den Namen Fuchur, machte ich mich neulich auf den Weg in die Buchhandlung, um mir die unendliche Geschichte von Michael Ende zu kaufen. Ich hatte zwar schon viel über das Buch gehört, die Filmstudios in Babelsberg besucht und dort unter Anderem auch Fuchur gesehen und sein flauschiges Fell gestreichelt, doch gelesen habe ich das Buch nie. Mit wirklich grosser Vorfreude habe ich mich dann vorgestern Abend ins Bett gelegt und angefangen zu lesen.

 

Die ersten Kapitel vergingen wie im Fluge und schnell war ich zurückversetzt in meine eigene Kindheit. Nach einer Weile machte ich eine kurze Pause, drehte eine der Birnen meiner Deckenbeleuchtung heraus und zündete dafür meinen fünfarmigen Kerzenleuchter, wie auch die beiden Fackeln über dem Kopfende des Bettes an. Danach mischte ich Vanille, Kokos und Zimt zu einer neuen Mischung für meine Duftlampe und legte mich wieder ins bett zum Lesen.

 

Auf Seite 88 begegnete mir dann der Glücksdrache Fuchur zum ersten Mal, was mich etwas schmunzeln lies und mich an meine Schulzeit in Singapur erinnerte, denn die 8 ist im Chinesischen die absolute Glückszahl und damit die 88 um so mehr. Ich mag solche kleinen Zufälle. Erstaunt war ich auch, als Bastian ein paar Kapitel später einen Kerzenleuchter mit 7 Kerzen anzündete um in der Dämmerung weiter lesen zu können. Denn einerseits brannten zu diesem Zeitpunkt in meinem Zimmer ebenfalls sieben Kerzen und andererseits war dies in etwa der Zeitpunkt, an dem Bastian realisierte, dass er Teil der Geschichte selbst war. In etwa so, wie ich mich selbst beim Lesen der Geschichte verbunden fühlte.

 

Auch jetzt, nachdem ich die letzten Seiten umgeschlagen habe, klingen immer noch viele Dinge in mir nach und ich höre zum Beispiel noch gut die Reime der Uyulála in meinen Ohren widerhallen. Wie leise Worte, die in einem Gewölbe gesprochen werden, erinnert sie mich an das, was ich vor ein paar Tagen am offenen Grab meiner Oma gefühlt habe.

 

»Über Berg und Tal, über Feld und Flur
werd ich vergehen, verwehen -
Ach, alles ereignet sich einmal nur,
aber einmal muss alles geschehen ... «

 

Auf eine kurze Inhaltsangabe habe ich diesmal in meinem Blog absichtlich verzichtet, denn erstens ist, wie wir auf den letzten Seiten vom Buchhändler Karl Konrad Koreander erfahren, »Jede wirkliche Geschichte [ist] eine Unendliche Geschichte.« und andererseits kommt es bei solchen Geschichten mehr als deren Inhalt darauf an, wie sie geschrieben sind und was sie dadurch in uns auslösen.

 

Wie lassen sich tiefe Gefühle und Erfahrungen am besten vermitteln? Wenn wir sie analytisch beschreiben und möglichst deskriptiv festhalten wollen, so verlieren sie ihren Zauber und werden zu Plattitüden.

 

Wer hat nicht schon das Gefühl erlebt plötzlich, wie aus dem Nichts, ganz tief aus dem Bauch heraus endlich etwas verstanden und gefühlt  zu haben. Etwas, nach dem man schon lange suchte und es rein kognitiv vielleicht sogar schon wusste. Etwas, das sich jedoch bisher nie in einem selbst vom Wissen zum Verstehen und Fühlen durchringen konnte. Man schwelgt in seiner neuen Erkenntnis, kostet sie aus und sobald unser momentaner Durst an ihr gesättigt ist, kommt der Wunsch auf, sie dauerhaft zu erhalten. Einerseits, um selbst immer wieder darauf zurückgreifen zu können und andererseits um nahen Menschen etwas davon abgeben zu können. Wir schreiben die Gedanken auf, beschreiben sie im Detail, so dass sie stimmig und im Gleichklang mit unserem Gefühl sind. Doch wenn wir unsere Worte ein paar Tage später wieder lesen, so klingen sie oft nur noch wie Plattitüden. Wie Dinge, die wir eigentlich schon lange wussten. Der Übergang vom Wissen zum Fühlen ist wieder abhanden gekommen. Die Worte haben ihre Magie verloren (Ebenso ist es übrigens, wenn man Menschen einen Ratschlag auf  der Basis eigener Erfahrungen erteilt, ohne vorher sich in ihre Haut eingefühlt zu haben und sich selbst dabei gänzlich zur Seite gelegt zu haben).

 

Wie kann man aber solche Gefühle vermitteln? Ich finde, dies zeigt uns die Unendliche Geschichte wunderbar. Sie zeichnet eine Welt, welche wir Leser mit unseren eigenen Farben zu einem Gemälde vervollständigen. Schon sehr schnell entdecken wir viele Teile von uns selbst in der Geschichte, die wir lesen. Das was geschrieben wurde und das was uns selbst ausmacht vermischt sich zum Mörtel, der die Brücke zwischen dem Verstand und den Gefühlen baut. Die Unendliche Geschichte ist ein wunderbares Malbuch für unsere eigenen Gefühle, Träume und Sehnsüchte.

 

Auch wirklich berührt haben mich die Seiten, auf denen Bastian seinen letzten Wunsch entdeckte. Das hat sehr viele Gedanken und Gefühle in mir selbst ausgelöst.

 

»Doch damit beginnt eine andere Geschichte, die ein andermal erzählt werden soll.«

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